Schlechte Nachrichten für AKW-Betreiber: Ein Insider macht die Erdstöße vom 11. März für schwere Schäden am AKW in Fukushima verantwortlich - die Betreiberfirma gab bislang dem Tsunami die Schuld am GAU. Damit wachsen Zweifel an der Erdbebensicherheit von Kernkraftwerken weltweit, wie Spiegel Online schreibt.
Es müssen gruselige Szenen gewesen sein im ersten Block des AKW Fukushima-Daiichi in der Nacht nach dem Erdbeben vom 11. März: Mitarbeiter der Betreiberfirma Tepco betreten das Reaktorgebäude, um die Schäden zu beurteilen. Doch kaum passieren sie die Sicherheitstür, schlagen ihre Dosimeter Alarm. Die Techniker evakuieren sofort. Ihre Vermutung: Das Gebäude ist mit radioaktivem Dampf gefüllt. Ausgehend von Dosimeter-Daten schätzen Experten später, dass die Strahlung in dem Gebäude bei etwa 300 Millisievert pro Stunde gelegen hat - ein hoher Wert, der einen Austritt großer Mengen radioaktiven Materials in dem Reaktor vermuten lasse.
Diesen Ablauf hat eine nicht genannte Quelle aus dem Unternehmen Tokyo Electric Power Company (Tepco) der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo geschildert. Die Aussage erhärtet einen Verdacht, den Experten schon bald nach der Katastrophe äußerten: Der Schaden an Reaktor 1 ist nicht erst mit dem Ausfall der Kühlung nach dem Tsunami entstanden, sondern bereits mit dem Erdbeben. Die Atomanlage hätte den Erschütterungen nicht standgehalten.
Das würde nicht nur bedeuten, dass Tepco von Anfang an die Unwahrheit über den Unfallhergang verbreitet hätte. Es würde auch der internationalen Nuklearindustrie einen Strich durch die Rechnung machen: Die hatte immer wieder betont, das Unglück sei ausschließlich vom Tsunami verursacht worden. Da weltweit nur die wenigsten Atomkraftwerke in Tsunami-Gegenden liegen, sei die Kernenergie durch die Ereignisse in Fukushima nicht gefährdet. Auch in Deutschland liegen AKW in Erdbebengebieten, das Bebenrisiko ist gleichwohl schlechter bekannt als angenommen.
Die offizielle Version zu den Ereignissen in Fukushima lautete bislang: Das Erdbeben hätten die Reaktoren ausgezeichnet überstanden. Doch dann sei der Tsunami gekommen und hätte die Stromversorgung für die Kühlung außer Kraft gesetzt. Dadurch sei die Notstromversorgung angesprungen. Erst als sich deren Batterien leerten, entstanden sukzessive die Probleme, weil die Brennelemente dann nicht mehr gekühlt wurden.
Doch die Schilderungen, die nun aus der Betreiberfirma an die Presse gesteckt wurden, nähren Zweifel an dieser offiziellen Version. "Schon das Erdbeben könnte den Reaktordruckbehälter oder die daran angeschlossenen Rohre beschädigt haben", sagte der Tepco-Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Kyodo. Wie sonst hätte die Radioaktivität aus dem Kern bis zum Abend ins Reaktorgebäude gelangen können - wie es die Dosimeter der Arbeiter schon in der Nacht angezeigt hätten?
Bereits Ende März hatte der Ingenieur Mitsuhiko Tanaka auf einer Pressekonferenz den Verdacht geäußert, in Block 1 habe es gleich nach dem Erdbeben einen Kühlwasserverlust gegeben. Tanaka, der früher für Babcock Hitachi gearbeitet hat und am Design für den Druckbehälter des Reaktors 4 in Fukushima beteiligt war, stützte seine These vom frühen Kühlwasserverlust auf Daten aus dem Reaktor 1. Danach hatten die Betreiber am 11. März um 16.36 Uhr - knapp zwei Stunden nach dem Erdbeben - versucht, das Notkühlsystem einzusetzen. Das reguläre System war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgefallen. Auch die Notkühlung funktionierte nicht. Angeblich als Folge des Tsunamis.
Tanaka allerdings kam zu einem ganz anderen Schluss - der zu den jetzt bekannt gewordenen Schilderungen des Insiders passt. Tanaka rechnete vor: Die ersten verfügbaren Messdaten aus Reaktor 1 beschreiben dessen Zustand zwölf Stunden nach dem Erdbeben. Im Reaktordruckbehälter, in dem sich der Kernbrennstoff befindet, war der Druck von den üblichen 7 Megapascal (das entspricht 70 bar; ein Autoreifen wird mit etwa 2 bar gefüllt) auf nur noch 0,8 Megapascal gesunken. Gleichzeitig, erklärt Tanaka, "sank der Kühlwasserpegel dort rapide". Im Sicherheitsbehälter dagegen, der den Druckbehälter umgibt, stieg parallel der Druck an, von 0,1 auf 0,8 Megapascal.
Diese Druckveränderungen sind für Tanaka ein Hinweis für ein Leck im Kühlsystem. Es sei, kommentierte er, aufgrund dieser Daten "nahezu unbestreitbar", dass es einen Kühlwasserverlust gegeben habe. Eine Analyse, die die gleich nach dem Erdbeben gemessenen, erhöhten Strahlungswerte erklären würde.
Tanaka vermutete, dass es einen Rohrbruch am Reaktordruckbehälter gegeben habe. Der wiederum hätte nichts mit dem Tsunami zu tun gehabt. Er könne nur durch das Erdbeben entstanden sein. Viele Experten hätten dass wissen müssen oder wissen können, sagt Tanaka: "Aber sie haben geschwiegen". Mit dem Versagen der Notkühlung war das wichtigste Instrument der Betreiber im Kampf um die Eindämmung der Katastrophe ausgefallen. Der Reaktor war damit von Beginn an außer Kontrolle.
Sollten sich die Analyse des Experten Tanaka und die Aussage des Tepco-Insiders bestätigen, wäre klar: Die Konstruktion von Reaktorblock 1 hat dem Erdbeben nicht standgehalten. Das hätte Konsequenzen für die Kraftwerksbetreiber weltweit. Denn im Gegensatz zum Tsunamirisiko besteht Erdbebengefahr an vielen Orten.
Quelle: Spiegel Online
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Also war doch Erdbeben der Auslöser für Fukushima....?
AntwortenLöschenbereits am 12. und 13.04.2011 habe ich diese Meinung auf Grund meiner Erfahrung der Presse mitgeteilt. Ich habe gesagt : "Weltweit gibt es kein einziges AKW was wirklich gegen Erdbeben gesichert ist". Selbst AKW-Hersteller sind noch immer der Meinung gewesen, ein massiver, schwerer, global schwingender AKW Bauwerkskörper sei die einzige und ausreichende, richtige Schutzmaßnahme.
Richtig ist aber, dass innere Systeme (wie Dampferzeuger und Kühlsysteme) durch das Beben starken Kräften ausgesetzt sind und bei relativen Verschiebungen regelrecht zerrissen werden können. Die zugehörige Stützkonzeption (starre Abstützung) lässt kein lastfreies Auslenken zu. Noch so starke Bauteile würden nicht schützen sondern zwangsläufig und unzulässig von ihren Anschlüssen getrennt.
Gefordert ist hier eine passive Verformungskontrolle über ausweichende Widerlager. Damit wird eine frequnzunabhängige, und momentfreie Abstützung möglich, deren statisch-/dynamische Lastfallsituationen zutreffend und vollständig zu beschreiben und zu überprüfen sind. AKW's ohne diese Technik sind unbeherrschbar, mit dieser frequnzunabhängigen Technik sind sie aber auch gleichzeitig gegen Flugzeugabsturz und Terrorangriffe geschützt.
Fukushima hat uns eine Lehre erteilt, wenn dies nicht reicht gibt es noch viele andere "Nachfolger" bis wir verstanden haben.
Korrektur zu obigem Kommentar:
AntwortenLöschenStatt bereits am 12. und 13.04.2011 habe ich...
muss es heissen:
bereits am 12. und 13.März 2011 habe ich diese Meinung auf Grund meiner Erfahrung der Presse mitgeteilt.