25 Jahre danach: Die Ruinen der Geisterstadt, in deren Hochhäusern einst die Reaktortechniker von Tschernobyl lebten, bringen einen ins Grübeln. Wie viele Menschen hat der explodierende Atommeiler am 26. April 1986, das Leben gekostet oder wird es noch tun? Ein Augenschein kurz vor dem Jahrestag.
Zu viele Opfer auf jeden Fall - die genaue Zahl ist noch heute, ein Vierteljahrhundert später, heftig umstritten. Werden die Auswirkungen des Super-GAUs jemals wieder verschwinden? Irgendwann vielleicht, aber mindestens die heutige Generation muss sich mit den Problemen weiter herumschlagen. Die vielleicht einzig konkrete Antwort findet sich auf die Frage, was es kostet, Tschernobyl halbwegs sicher zu machen: mindestens 1,6 Milliarden Euro - wovon 740 Millionen allerdings erst noch aufgetrieben werden müssen. Eine der Lehren aus Tschernobyl ist diese: Sollte einer der Katastrophenreaktoren in Fukushima durchschmelzen oder hochgehen wie damals in Tschernobyl, werden die Folgen atemberaubend teuer, unvorstellbar kompliziert und traumatisch auf Jahrzehnte hinaus sein.
Die deutlichste Lektion aus Tschernobyl haben die Japaner vielleicht noch nicht ganz gelernt: Eine freimütige Informationspolitik ist im Katastrophenfall von entscheidender Bedeutung. Immerhin sind sie offener als die sowjetischen Funktionäre, die auf das Unglück in der heutigen Ukraine mal geheimniskrämerisch, mal defensiv und verwirrt reagierten. Erst nach drei Tagen verlor man ein Wort über die Explosion; die ersten Hinweise kamen aus Skandinavien. «Zu der Zeit damals wussten wir eineinhalb Tage überhaupt nichts davon, was passiert war», erinnerte sich der frühere Staatschef Michail Gorbatschow kürzlich.
Als die sowjetischen Behörden endlich einräumten, dass etwas schief gelaufen war, äusserten sie sich nur vage. Ob das Verzögern und Verschleiern rechtzeitige Schutzmassnahmen verhindert und zu Erkrankungen beigetragen hat, ist schwierig zu beurteilen. Die Wissenschaft streitet, wie viele Todesfälle auf Tschernobyl zurückzuführen sind. Über Boden, Pflanzen und Tiere gelangte Radioaktivität in die Nahrungskette, Milch und Fleisch waren noch jahrelang verstrahlt, tausende Menschen bekamen Schilddrüsenkrebs.
Heute leben wieder Wildtiere in der verstrahlten Zone, selbst Luchse und Elche wurden gesichtet. In der Geisterstadt Pripjat sind die Bäume hoch gewachsen, an anderen Orten kümmerlich. Für Menschen sind Teile der Sperrzone offenbar zumindest kurzzeitig bewohnbar. In dem Ort Tschernobyl leben Arbeiter, die an einer neuen Schutzhülle für den 15 Kilometer entfernten Reaktor arbeiten - aber immer nur zwei Wochen lang. Der zweite Sarkophag soll für mindestens 100 Jahre die Freisetzung von Strahlung verhindern. Der erste hat seine Lebenserwartung bereits erreicht, der zweite wird aber frühestens 2014 fertig.
Doch dem von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung geleiteten Projekt fehlt es noch an Geld. Von einer Geberkonferenz zum 25. Jahrestag des Unglücks erhofft sich die Bank Zusagen für die noch ausstehenden 740 Millionen Euro, die es braucht, um die Schutzhülle und ein Atommüllager fertigzustellen. Und das in Zeiten der Finanzkrise. «Ich bin zuversichtlich, dass wir die volle Summe bekommen. Doch man muss sehen, dass wir in finanziell schwierigen Umständen leben», sagt Jean-Paul Joulia von der Abteilung Reaktorsicherheit der EU-Kommission.
Quelle: Jim Heintz/dapd
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Sonntag, 17. April 2011
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