Das nukleare Desaster in Fukushima hat Dienstag eine neue Dimension erreicht, zumindest auf dem Papier. Die japanische Regierung hob den Atomunfall von der Gefahrenstufe 5 auf Stufe 7an - was bedeutet, dass es Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld gibt.
Risikostufe 7 - in der Geschichte der zivil genutzten Kernenergie gab es bisher nur einen atomaren Vorfall, der offiziell in die gleiche Kategorie eingeordnet wurde: Tschernobyl. Bei beiden Reaktorvorfällen handelt es sich laut der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (Ines) per Definition um einen "katastrophalen Unfall". Damit hat die Regierung in Tokio bestätigt, was von zahlreichen Seiten seit Anbeginn des Fukushima-Unglücks vermutet wurde: Der gefürchtete Super-GAU ist da. Der deutsche Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin brachte es auf den Punkt. Es sei unter Experten ein "offenes Geheimnis" gewesen, dass der Vorfall in die höchste Stufe der Internationalen Bewertungsskala einzuordnen sei: "Mit wochenlanger Verspätung gibt nun die japanische Regierung zu, was nicht länger zu verleugnen ist." Tatsächlich sind Experten der Meinung, dass Anpassung überfällig war. "Endlich räumen sie ein, wie ernst die Lage ist", sagt etwa der britische Atomexperte Shaun Burnie. Es sei wohl die Angst vor der "psychologischen Schwelle" gewesen, die die Behörden von diesem Schritt abgehalten hätte, sagt Burnie. "Erklären Sie mal Ihrem Volk, dem Sie vierzig Jahre lang gesagt haben, dass die Anlagen sicher sind, dass in Fukushima etwas passiert ist, was auf einer Stufe mit Tschernobyl steht", sagte der Experte, der mehrfach als Berater auch in Japan tätig war.
Der Umweltschutzverband BUND hält es sogar für möglich, dass die Folgen der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima die des Reaktorunglücks von Tschernobyl noch übersteigen. "Wir sind erst am Anfang", sagte BUND-Energieexperte Thorben Becker am Dienstag. "Es könnte über Tschernobyl hinausgehen." Nicht alle Experten halten einen Vergleich zwischen Fukushima und Tschernobyl für sinnvoll. Sie verweisen auf eine bürokratische Nuance: Während Tschernobyl von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auf Stufe 7 gesetzt worden war, erfolgte die Einstufung Fukushimas bisher lediglich von Seiten der japanischen Behörden.
Prompt betonte die IAEA am späten Dienstagnachmittag, der Vorfall in Fukushima sei nicht mit dem Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahr 1986 zu vergleichen. "Das ist ein völlig anderer Unfall", sagte IAEA-Experte Denis Flory bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Gefahren, die von der Atomruine Fukushima ausgehen, seien deutlich geringer. Die bisher in Japan ausgetretene Radioaktivität betrage lediglich sieben Prozent der Gesamtwerte aus Tschernobyl. Die Höherstufung des Vorfalls in Fukushima habe keine Auswirkungen auf den Umgang mit dem Unfall, sagte Flory. Die bisher getroffenen Reparaturmaßnahmen würden weitergeführt. Die Ines-Skala sei lediglich ein Instrument, um die Tragweite eines Unfalls zu kommunizieren. Die Einstufung geschehe unabhängig von nötigen Aktionen wie Evakuierungen oder gesundheitlichen Maßnahmen.
Der IAEA-Experte betonte, dass die japanische Regierung so lange mit der Heraufstufung auf der Ines-Skala gewartet habe, sei kein Beleg für einen Vertuschungsversuch - sie sei nun auf Grundlage neuer Daten über die Umweltauswirkungen geschehen. "Bisher wusste man, dass es Auswirkungen auf die Umwelt gibt, aber man wusste nicht, in welchem Ausmaß", sagte Flory.
Quelle: Spiegel Online
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Mittwoch, 13. April 2011
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