Die Auswirkungen des Bebens in Japan auf die vielen dortigen AKW beschäftigen die Medien. Unsicherheit bestimmt die Lage – und auch hier sei nicht auf Panik gemacht. Aber das Beben gibt einen Vorgeschmack darauf, was die Erdverwerfungen für die Atomwirtschaft bedeuten können, vielleicht gar ihr Aus.
Die nächtlichen Abendsendungen der TV-Anstalten tönen sehr unterschiedlich, Solarmedia verfolgte laufend die Berichterstattung. Was zuallerletzt verlautete, tönte dramatischer denn je: Demnach ist die am Eingang des beschädigten Reaktors in Fukushima um das 8fache erhöht, die Schutzzone und die Evakuierungen auf 10km ausgedehnt. Der Ablass des Überdrucks funktioniert nicht, weil die Ventile mangels Strom nicht geöffnet werden können – so die Tagesthemen von ARD vor 23 Uhr.
Japan hat den nuklearen Notstand ausgerufen gemäss dem Schweizer Fernsehen im Nachrichtenmagazin 10vor10. Man beachte man die Sprachregelung – die restliche Welt spricht vom atomaren Notstand. Eine gewisse Skepsis ist spürbar, wie sich das Ganze weiter entwickeln könnte. Dann folgte ein Spezialbeitrag zu den 55 AKW in Japan, wovon wegen zweier der atomare Notfall ausgerufen wurde – nun die andere Sprachregelung – tausende Personen in Sicherheit gebracht. Ein Schweizer Greenpeace Spezialist sieht Situation als ernst an, da gar nicht bekannt sei, was beschädigt wurde. 2007 verharmlosten Behörden den Fall nach einem Beben mit Stärke von 6,8, wesentlich schwächer als gestern. Erinnerungen an Tschernobyl tauchen auf, was ein Angehöriger des PSI bei Brugg in Abrede stellt. Sicher sei, ein Tschernobyl könne nicht passieren, und allenfalls nur lokal eine stark erhöhte Radioaktivität zu erwarten. Greenpeace zeigt sich andernorts besorgt, über die durch den Tsunami verursachten Schäden am hoch radioaktiven Atommülllager in Fukushima gemäss oekonews.at.
Im ZDF heisst das Ganze Atomalarm. Es ist eines der ältesten AKW Japans, die Hitze glüht weiter – aber der Strom für die Kühlaggregate fehlt. Kernschmelze heisst aber kein zweites Tschernobyl, eher wie in Harrisburg, wo Sicherheitsbehälter die Schmelze begrenzte. Hoffnung besteht, dass Reaktor bald wieder gekühlt werden kann. Michael Sailer Öko-Institut Duisburg, der vor einiger Zeit auch in Zürich auftrat (siehe Solarmedia vom 19. November 2010) nimmt im ZDF sieht Begrenzung nicht für gegeben, es könnte auch schlimmer werden, wenn Glück, dann ja. Also doch eine nukleare Katastrophe denkbar. Warum nicht mehr Kühlaggregate – alles kaputt und keine Stromversorgung mehr.
Die deutsche Zeit meldet: «Mehrere Kraftwerke haben sich nach dem Beben automatisch abgeschaltet. Einige der für Beben bis zu einer Stärke von 8,25 ausgelegten Anlagen sind schwer beschädigt. Noch soll keine Radioaktivität ausgetreten sein.» Da reibt man sich doch verdutzt die Augen, denn das Beben hatte eine Stärke von 8,9! Die Wochenzeitung meldet weiter: «Die Regierung in Tokyo hat den atomaren Notstand ausgerufen. Das berichten japanische Medien. Es ist das erste Mal, dass sich die Regierung dazu genötigt sieht, seit im Jahr 2000 ein entsprechendes Gesetz zur atomaren Sicherheit verabschiedet worden war. Es sieht vor, den Notstand zu erklären, wenn Radioaktivität austritt oder das Kühlsystem eines Kernkraftwerks ausfällt.
Insgesamt sollen sich elf japanische Atomkraftwerke automatisch abgeschaltet haben. Aber nach wie vor gilt, was Japans Regierungschef Naoto Kan erklärte, dass bisher in keiner der Atomanlagen ein Austritt von nuklearem Material festgestellt worden sei. Übrigens waren vor vier Jahren bereits drei Reaktoren des japanischen Kraftwerks Kashiwazaki nach heftigen Erdstößen der Stärke 6,8 abgeschaltet worden. Die Japanischen Inseln liegen auf dem Pazifischen Feuerring. Es handelt sich um eine der seismisch aktivsten Erdregionen. Wegen der geographischen Lage werden in Japan zahlreiche Häuser erdbebensicher gebaut, die Bürger werden regelmäßig über die Gefahren aufgeklärt. Japan setzt dabei auf ein eigenes Messverfahren, das nicht die durch Erdbeben entstehende Energie misst, sondern die an der Erdoberfläche gemessenen Auswirkungen bestimmt. Mit dem System sei eine genauere Folgenabschätzung möglich.
Die linke taz aus Berlin schreibt schon früh: Nach dem Versagen des Kühlsystems im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im Nordosten Japans wollen die Behörden jetzt leicht radioaktiven Dampf aus einem Reaktorbehälter lassen. Die japanische Atomsicherheitsbehörde sagte am Samstag (Ortszeit), der Druck in einem der sechs Behälter sei auf das Anderthaltbfache des Normalstands angestiegen. Die im Wasserdampf enthaltene Radioaktivität werde aber die Umwelt oder die menschliche Gesundheit nicht beeinträchtigen.
Deutschlands Umweltminister Norbert Röttgen sieht keine Gefahren für Deutschland, Kühlsystem ausgefallen, Notstrom läuft nicht, Situation immer dramatischer meldet ARD. Reaktoren schalteten sofort ab, benötigen aber Kühlung – und die läuft nicht. Entfernung zu Japan schützt aber in Europa. Grund zur Entwarnung sehen Atomexperten vorderhand aber nicht. USA haben offenbar Hilfe nach Japan gesandt, um eine Kernschmelze zu verhindern, worin diese besteht, ist vorderhand aber unklar. Gemäss taz haben die USA Reaktorkühlmittel nach Japan geschickt, um einen Beitrag zur Lösung der kritischen Lage im Atomkraftwerk Fukushima zu leisten. Außenministerin Hillary Clinton sagte am Freitag, die US-Luftwaffe habe aufbereitetes Kühlwasser zu der Anlage transportiert.
Interessant der Vergleich zu den Evakuationszahlen rund um Fukushima. Während ZDF und ARD übereinstimmend von 6000 Evakuierten sprechen, meldet die CH-Tagesschau zur gleichen Zeit eine Zahl von nur 2000 Evakuierten. Auch sonst bleibt der Eindruck, dass das Schweizer Fernsehen der Bedrohung durch das AKW weniger Gewicht beimisst. Derweil soll radioaktive Luft abgelassen werden gemäss ARD-Tagesschau.
Aber ist zu trauen? Ex-ZDF-Korrespondent Thomas Euting sagt in einer Studiosendung aus, dass Notfallpläne minutiös abzuarbeiten sind, dass das aber ein Hindernis sein kann, zeitig zu reagieren. Schon früher reagierte man zu spät «Da ist Skepsis angebracht», Euting erlebte das Beben von Kobe 1995 und sah, wie zögerlich die Behörden vorgingen – das könnte offenbar jetzt auch bei den Schwierigkeiten im AKW Fukushima drohen.
Heinz Smital Green auf ZDF sagt, dass die AKW nicht für diese Stärke ausgelegt sind –und auch ein Abschalten nicht schützt gegen die Kernschmelze. Die Notstromversorgung funktioniert nicht ordnungsgemäss – nun also die beschränkten Batterien, es läuft Wettkampf gegen die Zeit. Die Regierung meldet im Moment, alles im Griff zu haben – Smital geht davon aus, dass diese alles unternimmt und durchaus eine Chance besteht, dass alles unter Kontrolle zu bekommen ist.
Am frühen Abend war die Situation gemäss ZDF bereits dramatisch, die Radioaktivität steigt dramatisch an, die Situation spitzt sich dramatisch zu gemäss Korrespondentenbericht. Die Kühlung ist nur noch batteriegetrieben möglich und diese Batterien sind in wenigen Stunden leer. Es scheint einzutreten, was Kritiker der Atomwirtschaft stets auch befürchteten – dass für AKW letztlich keine Erdbebensicherheit besteht. Stehen wir heute am Ende der Atomkraft? Wie gefährlich ist die Situation wirklich? Selbst bei einer Kernschmelze nur regionale Auswirkungen gemäss dem deutschen Fernsehsender ARD um 18.48h. Die Batterien sind bald leer, 6000 Menschen im Umkreis von drei Kilometern rund um das AKW werden evakuiert.
© Solarmedia
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... dokumentiert die Fallstricke der Atomindustrie; ... gehört zu «Media for Sustainability» des Ökonomen und Journalisten Guntram Rehsche (siehe auch http://guntram-rehsche.blogspot.com); ... Beiträge zeitlich geordnet, Stichwort- / Labelsuche in linker Spalte; ... Unterstützung mit Zahlung von 20 CHF auf Konto: Zürcher Kantonalbank / Guntram Rehsche / IBAN CH46 0070 0111 3009 63007 (für Zahlungen aus Ausland auch BIC (SWIFT-Code) angeben: ZKBKCHZZ80A) - Danke!
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