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Die beiden Druckwasserreaktoren von North Anna waren stärker betroffen: Die externe Stromversorgung fiel aus, die Notstromaggregate sprangen an. Zumindest mit einem von fünf Notstromdieseln gab es Probleme. Dabei sind die Aggregate entscheidend, um nach dem Blackout die Kühlung der Reaktorkerne zu sichern. Experten gelang es schließlich, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Am späten Dienstagabend konnte nach Angaben der Betreiberfirma Dominion Virginia Power auch die externe Stromversorgung wieder hergestellt werden. Es war ein Szenario, das an den Beginn des Fukushima-Desasters erinnerte - dort führte der Totalausfall der Stromversorgung zur Kernschmelze.
Bei der NRC wurde der Vorfall auf der Warnstufe zwei von vier eingeordnet. Nach dem ersten Schock werden sich die US-Behörden nun einer unangenehmen Diskussion stellen müssen, die sie nach Fukushima zum Teil noch vermeiden konnten: Wie sicher sind die Atomkraftwerke der USA? Diese Frage stellt sich drängender denn je. Und allein das Beispiel North Anna legt nahe, dass die Antworten für die Betreiber wenig schmeichelhaft ausfallen könnten
Die Nachrichten-Webseite "The Raw Story" etwa berichtet, dass die Erdbebensensoren in der Umgebung der Atomkraftwerke in den neunziger Jahren abmontiert wurden - aus Kostengründen. Und nach Angaben von Bob Alvarez vom Institute for Policy Studies in Washington waren die Meiler auf ein Beben bis zu einer Stärke von 5,9 bis 6,1 ausgelegt. Diese Werte wurden am Dienstag beinahe erreicht, auch wenn Betreiber Dominion von einer Auslegung des AKW bis zur Bebenstärke 6,2 berichtet.
Der ehemalige NRC-Direktor Victor Gilinsky attestiert seinen Nachfolgern bei der Frage der Erdbebensicherheit gar eine "unverantwortliche" Herangehensweise. Die Behörde erneuere die Lizenzen für AKW, ohne sich um neue Erkenntnisse zur Standfestigkeit auch nur zu kümmern, warnte Gilinsky. Edwin Lyman von der eher atomkritischen Union of Concerned Scientists forderte Aufsichtsbehörden und AKW-Betreiber auf, alle Meiler des Landes neu auf die Erdbebensicherheit testen zu lassen. Wenn Fukushima kein Weckruf gewesen sei, dann müsse das Erdbeben von Virginia einer sein.
Die USA werden sich der schwierigen Diskussion im eigenen Land stellen müssen. Im Fall von North Anna sei man den Auslegungsgrenzen des Reaktors "unangenehm nahe" gekommen, sagt Lyman von der Union of Concerned Scientists. Bei der NRC ist man indes nicht so kritisch. Selbst Meiler außerhalb von seismisch aktiven Zonen seien so ausgelegt, dass sie Beben widerstehen könnten, erklärte die Behörde in einer Presseerklärung nach den Erdstößen.
Die Aufseher würden sich bei der Genehmigung an den schwersten jemals aufgetretenen Naturkatastrophen des betreffenden Gebiets orientieren. Bleibt die Frage, wie weit man in die Vergangenheit zurückschaut - was gemäss Atominfomedia stark an die Frage der Hochwassersicherheit von Mühleberg erinnert - eine Diskussion, die man auch aus Deutschland bestens kennt. Das Beben, das die Gegend um die beiden Meiler von North Anna erschütterte, war immerhin so stark wie kein anderes seit 1897.
Bei Dominion Virginia Power glaubt man weiterhin an den Standort. Das Unternehmen hat beantragt, einen weiteren Meiler auf dem Kraftwerksgelände zu bauen. Die beiden anderen haben schon mehr als 30 Jahren auf dem Buckel. Und wenn es nach der Betreiberfirma geht, wird ganz in ihrer Nähe bald ein neuer Mitsubishi-Druckwasserreaktor gebaut werden.
Quelle: Spiegel Online mit Material von Reuters
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