Das japanische Wissenschaftsministerium hat am Samstag angekündigt, die Radioaktivitätsgrenzwerte für Schulen auf den westlichen Grenzwert von 1 Millisievert pro Jahr zu senken. Unmittelbar nach dem Super-GAU in Fukushima waren sie angehoben worden.
„Die Anhebung der Grenzwerte auf die Jahresdosis eines deutschen Atomkraftwerks-Arbeiters – 20 Millisievert – war eine wahnsinnige Verzweiflungstat der japanischen Regierung, um nicht zugeben zu müssen, dass ein viel größeres Gebiet als die Evakuierungszone stark radioaktiv belastet ist“, berichtet Akiko Yoshida von japanische Partnerorganisation von GLOBAL 2000, Friends of the Earth Japan. „Wir haben zusammen mit Wissenschaftlern und Eltern aus der betroffenen Region seit Monaten für die Senkung der Grenzwerte und flächendeckende Radioaktivitätsmessungen kampagnisiert, diese Senkung ist ein großer Erfolg für uns. Es ist aber klar, dass der jetzt angesetzte Grenzwert nur durch Rechentricks einhaltbar ist -- die Kinder dürfen sich nur einen Teil des Tages in so stark belasteten Schulen aufhalten, und radioaktive Nahrungsmittel dürfen auch nicht ins Schul-Mittagessen gelangen.“
Durch die radioaktiven Freisetzungen aus den explodierten Reaktoren und das verdampfende hochradioaktive Kühlwasser wurde eine viel größere Region als die von der Regierung festgelegte 20 km-Zone um das havarierte AKW radioaktiv verstrahlt. In Schulen der 60 Kilometer entfernten Großstadt Fukushima ist der Boden so stark mit langlebigen Cäsium-Isotopen belastet, dass die Radioaktivität in der Luft immer noch bei bis zu 2,1 Mikrosievert pro Stunde liegt – oder 18 Millisievert pro Jahr. „Die Regierung hat im Juli ausführliche Messungen mit Dosimetern in den 55 Schulen der Region durchführen lassen, in denen selbst der viel zu hohe Grenzwert von 20 Millisievert überschritten worden wäre“, berichtet Dr. Reinhard Uhrig, Atomexperte von GLOBAL 2000. „Man hat dann einfach im Schulgebiet die Erde oberflächlich abgetragen und durch unbelastete Erde ersetzt, um die Strahlungsdosis zu senken. Diese Verbesserung ist jedoch nur punktuell - die Schulwege sind weiterhin verseucht. Besonders belastet sind die Straßenkanäle, an denen die Schulwege oft entlangführen. Dort hat sich radioaktiver Schlamm angesammelt.“
Die im Juli veröffentlichten Messungen ergeben auch, dass die jetzt vorgegebenen Grenzwerte nur eingehalten werden können, wenn die Schulen Freiluft-Aktivitäten wie Sport oder den Gebrauch von Pausenhöfen und Spielplätzen sehr stark einschränken oder ganz verbieten: 41 Schulen erlauben den Aufenthalt für SchülerInnen im Freien nur stundenweise, 13 gar nicht. Nur eine Schule konnte die Kinder wieder unbegrenzt ins Freie lassen.
Selbst innerhalb der Schulgebäude gibt es Unterschiede in der Strahlenbelastung durch die Nähe zu den Fenstern – je weiter man sich im Inneren des Klassenzimmers befindet, desto niedriger ist die Belastung. „Es zeigt sich, dass hier höchstens Schadensbegrenzung betrieben werden kann. Niemand kann ausschließen, dass Kinder in diesem radioaktiven Minenfeld mit hochradioaktiven Stellen in Berührung kommen. Wir erwarten innerhalb der kommenden Jahre eine statistisch signifikante Erhöhung der Krebserkrankungen bei japanischen Schulkindern“, erklärt Uhrig. „Die Regierung muss die Belastung des gesamten betroffenen Gebietes lückenlos kontrollieren und weitere besonders stark belastete Gebiete evakuieren lassen -- wie dies auch nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl in der Ukraine und Weißrussland gemacht werden musste."
Quelle: Global 2000
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