Der Salzstock Gorleben befindet sich über dem größten Erdgasvorkommen Deutschlands. Neue Aktenfunde belegen, dass dieses Gas auch im Salzstock selber zu finden ist. Damit ist die wichtigste Voraussetzung für das geplante Atommüll-Endlager nicht erfüllt: die Barrierefunktion. Der Salzstock ist durchlässig, er kann die Umwelt nicht vor dem hochradioaktiven Müll schützen.
"Die Geschichte des geplanten Endlagers [...] im Salzstock Gorleben ist eine Geschichte der fortwährenden Absenkung von Sicherheitsstandards", schreibt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler in seiner Einleitung zur neuen Studie Erdgas und Kondensatvorkommen in Salz, speziell im Salzstock Gorleben-Rambow. Tatsächlich traten im Zuge der Erkundung immer wieder geologische Mängel zutage, so auch Laugeneinschlüsse und Gasfunde. Doch statt den Standort aufzugeben, wurden die Probleme verharmlost und die Sicherheitskriterien heruntergeschraubt.
Der Diplom-Geologe Ulrich Schneider hat im Auftrag von Greenpeace unveröffentlichte Untersuchungsberichte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ausgewertet. Aus den Berichten geht hervor, dass in sämtlichen Gesteinsproben des Erkundungsbereichs 1, genommen im Abstand von ca. fünf Metern, Gas und flüssige Kohlenwasserstoffe gefunden wurden. Bis zu 45 Prozent des Gases waren von außen in den Salzstock eingedrungen. Das Bild zeigt eine Besuchergruppe im Salzstock.
Die Gasvorkommen unter dem Salzstock waren bereits bekannt, als im Februar 1977 die Entscheidung für Gorleben als Endlagerstandort fiel. Bei Tiefbohrungen 1980 und 1981 stießen die Bohrmannschaften auf gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffe im Salz. Die Gase standen unter hohem Druck, waren brennbar und mussten teilweise abgefackelt werden. Auch bei den Schachtvorbohrungen 1982 traten Gase aus. Mehrfach musste der Betrieb eingestellt werden, weil Gasbekämpfungsmaßnahmen notwendig wurden.
In ihrem Zwischenbericht 1983 verharmloste die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) diese Probleme. Sie befand, es handele sich bei den Gasfunden um isolierte Gase aus organischen Prozessen innerhalb des Salzes. Dass durch Risse und Klüfte Gas aus tiefer liegenden Schichten in den Salzstock gelangt sein konnte, wurde ignoriert. Nach dem PTB-Bericht wurde die untertägige Erkundung des Salzstocks beschlossen. Das Zwischenlager Gorleben war zu dieser Zeit schon fertiggestellt.
Der BGR waren die entscheidenden wissenschaftlichen Befunde spätestens seit dem Jahr 2002 bekannt. Konsequenzen blieben jedoch aus. Noch heute berichtet die Bundesanstalt in ihren Standortbeschreibungen nur unvollständig über die Herkunft der Gase und spielt mögliche Folgen herunter. Diese Berichte sollen den aktuellen Forschungsstand abbilden und dienen als Grundlage für eine vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene "Vorläufige Sicherheitsanalyse". Sie soll bis 2013 erscheinen und die Eignung des Salzstocks nachweisen.
Der Wissenschaftler Ulrich Schneider kommt zu dem Schluss, dass eine sichere Lagerung des Atommülls in Gorleben unmöglich ist. Hochradioaktiver Müll entwickelt Wärme. Bei der Einlagerung heizt sich das Salzgestein auf, es wird bis zu 200 Grad heiß. Dadurch dehnen sich Gase, aber auch an das Salz gebundenes Wasser aus. Durch die Spannung kommt es im Gestein zu sogenannten mikrocracks, Mikrorissen. "Die weit verbreitete Behauptung, dass es im Salz wegen dessen plastischer Eigenschaften nicht zu offenen Klüften und Spalten kommen kann, kann heute als widerlegt gelten", erklärt Schneider. Der Geologe sieht im Falle einer Einlagerung hochradioaktiver Abfälle weder die äußere noch die innere Sicherheit des Endlagers garantiert: Über dem Salzstock fehlt, wie längst bekannt, ein durchgehendes undurchlässiges Deckgebirge, unter ihm befindet sich das Gasvorkommen. Im Salzstock selber stellen Gas- und Kondensateinschlüsse sowie umfangreiche Laugenvorkommen ein erhebliches Risiko dar.
Greenpeace fordert Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) erneut auf, die Endlagerpläne in Gorleben aufzugeben und das Endlagerkonzept in Salz grundsätzlich zu überprüfen. "Welche Beweise braucht Röttgen noch?", fragt Mathias Edler. "Die internen Analysen belegen: Es gab in der Vergangenheit Wege für das Gas in den Salzstock und damit kann es auch in Zukunft über Risse und Klüfte zu Wanderungen von Gas, Wasser oder Radionukliden kommen."
Quelle: Greenpeace Deutschland
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