Gemäss den ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges (PSR/IPPNW Schweiz) gibt es eben doch ein (um 40 Prozent) erhöhtes Krebsrisiko, dem Kinder in der Nähe von AKW ausgesetzt sind. Die Schweizer Studie verschweigt zu viele Fakten - und kommt zu einem Ergebnis, das offensichtlich statistisch nicht signifikant ist.
In der Medienkonferenz zur CANUPIS-Studie Dienstag an der Universität Bern informierten die Autoren des ISPM über die Anzahl der Leukämiefälle bei unter 5-jährigen Kindern in AKW-Nähe. Bei 6.8 erwarteten Fällen seien in Zone I (5 km-Umkreis) 8 Fälle beobachtet, in Zone II (5-10 km) bei 20.8 erwarteten Fällen 12 Fälle beobachtet und in Zone III (10-15 km) bei 28.3 erwarteten Fällen deren 31 beobachtet worden. Dies betraf die Kohorte der knapp 3000 Kinder, deren Daten zum Geburtsort bekannt waren (in der Originalpublikation „birth cohort“ genannt). Anders ausgedrückt sei das relative Risiko in Zone I um 20% erhöht, in Zone II um 40% erniedrigt und in Zone III um 10% erhöht.
Was die Autoren in der schriftlichen Medieninformation in deutscher Sprache nicht erwähnten, war die Analyse der in der Schweizer Studie ebenfalls untersuchten Kohorte gemäss dem Wohnort zum Zeitpunkt der Leukämiediagnose. Diese Kohorte der CANUPIS-Studie – in der englischen Originalpublikation „resident cohort“ genannt - umfasste über 4000 Kinder. Hier betrugen die aus der englischsprachigen Publikation ersichtlichen Zahlen für die Zone I 7.8 erwartete, jedoch 11 beobachtete Fälle (relatives Risiko um 41% erhöht), für Zone II 23.5 erwartete, jedoch 20 beobachtete Fälle (Risiko um 15% erniedrigt), und für Zone III 34 bei 32.4 erwartete Fälle (Risiko um 5% erhöht).
Da die Analyse des Wohnortes zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose dem Vorgehen bei der deutschen Kinderkrebsstudie KiKK entspricht, auf welche die CANUPIS-Autoren während der Medienkonferenz wiederholt vergleichend als Ausgangsbasis verwiesen (und die letztlich auch der Auslöser für die CANUPIS-Studie darstellte), ist es fragwürdig, diese 41% Risikoerhöhung bei unter 5-Jährigen in der „resident cohort“ in Zone I selektiv nicht zu nennen. Insbesondere, da die Autoren in der englischen Zusammenfassung selber darauf hinweisen, dass die Resultate der „birth cohort“ und der „resident cohort“ ähnlich seien, wäre es gegenüber den Medien korrekt gewesen, beide Kohorten mit gleichem Gewicht darzustellen. Dies betrifft sowohl die mündliche Präsentation wie auch die schriftliche Medieninformation.
Zusammenfassende Berechnungen, die die Resultate der CANUPIS-Studie, einer deutschen Studie von Kaatsch und einer englischen Studie von Bithell berücksichtigen, ergeben ein signifikant um circa 40% erhöhtes Leukämierisiko für diese Gruppe von Kleinkindern in der Umgebung von AKW. Eine Zunahme des Leukämierisikos um 40% für Kinder unter 5 Jahren, die im Umkreis von 5 km eines Atomkraftwerkes leben, ist aus medizinischer Sicht relevant: Es sei an Untersuchungen aus den Jahren nach 1950 zu Schwangeren erinnert, die zum Ausschluss einer Zwillingsschwangerschaft geröntgt wurden. Sie ergaben bei den in der Schwangerschaft gegenüber ionisierender Strahlung exponierten Kindern ein um 40% erhöhtes Krebsrisiko. Diese wichtige Erkenntnis führte zu den heute gültigen strengen Strahlenschutzbestimmungen.
Eine ergänzende schriftliche Medieninformation durch das CANUPIS-Team mit der Bekanntgabe der oben zitierten Resultate der „resident cohort“ wäre der aus methodischer Sicht ausgezeichneten CANUPIS-Studie nachträglich zu wünschen. Denn wenn gleichwertig sein soll, was für „birth cohort“ und „resident cohort“ gefunden wurde, sollte den Medien klar mitgeteilt werden, dass die Leukämierisikoerhöhung für Kleinkinder im ersten Fall + 20%, im zweiten Fall + 41% beträgt. Dies selbst im Wissen um die Tatsache, dass beide Resultate nicht signifikant sind, wurden doch in den Medien die Fallzahlen der „birth cohort“ ausführlich wiedergegeben und auch die 20%-Risikoerhöhung immer wieder genannt. Es ist anzunehmen, dass die 41% Risikoerhöhung bei der „resident cohort“ das Publikum noch brennender interessieren wird.
Für weitere Informationen
Dr.med.C.Knüsli, Onkologe, Basel
Präsident PSR/IPPNW Schweiz
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