Sonntag, 21. Juli 2013

Der Tod des Helden von Fukushima

Der Tod des Helden kennzeichnet normalerweise den letzten Akt eines Dramas. Der Held Masao Yoshida ist tot. Durch eine bewusste Befehlsverweigerung, die wahrscheinlich den verheerenden Supergau ein bisschen weniger verheerend machte, wurde der Leiter des Atomkraftwerk Fukushima- Dajichi zum Held.  Das Drama allerdings geht weiter.

Der Held (siehe Bild) starb mit 58 Jahren an Speiseröhrenkrebs. Einen Zusammenhang zwischen der Krebserkrankung und dem Atomunfall schließt der Betreiber des verunglückten Kernkraftwerkes jedoch aus. Das Schicksal von Masao Yoshida erfährt, aufgrund seines Einsatzes für die Rettung des Kraftwerkes, in der internationalen Presse große Aufmerksamkeit. Nur eine Randnotiz wert sind die Aussagen des Zwischenberichts des Fukushima Health Management Survey der Präfektur Fukushima. Hier werden die vorläufigen Befunde der klinischen Untersuchung der Schilddrüse von Kindern und Jugendlichen der Präfektur Fukushima veröffentlicht. Der Bericht unterscheidet zwischen gutartigen Veränderungen in der Schilddrüse in Form von Zysten und Knoten und bösartige Veränderungen, allgemein bekannt als Schilddrüsenkrebs. Diese Art von Tumoren zählt grundsätzlich zu den selteneren Krebsarten. Diagnostiziert wird er in der Regel bei Menschen in mittlerem und höherem Erwachsenenalters. Eine bösartige Erkrankung der Schilddrüse bei Kindern ist selten.

In Fukushima wurden 175.499 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren untersucht. In 43 % der Fälle wurden gutartige Zysten oder Knoten in der Schilddrüse festgestellt. Nach Angaben der Organisation Internationaler Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) sind diese auffälligen Befunde bei Kindern, anders als bei Erwachsenen, als Vorstufe von bösartigen Veränderungen zu sehen. Insgesamt wurden rund 1.000 Kinder aufgrund besonders schwerwiegender Diagnose zu einer Zweituntersuchung einbestellt. Mittlerweile wurden 421 Kinder zum zweiten Mal untersucht. Bei 28 Kindern wurden krebsverdächtige Zellen gefunden. 13 Kindern wurden mittlerweile die Schilddrüsen entfernt. Ein Fall stellte sich als gutartiger Tumor heraus, in 12 Schilddrüsen wurde Schilddrüsenkrebs bestätigt.

Die bisherigen Ergebnisse sind nach Angaben der IPPNW ein Zwischenstand, da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Doch bereits mit den bisherigen Zahlen läge der Indize bei 6,8 Erkrankten bei 100.000 Menschen. Aufgrund der Zahlen des Nationalen Krebszentrums in Japan zu Neuerkrankungen in der Bevölkerung aus den Jahren 2001 - 2007 wäre ein Indize von etwa 0,35 zu erwarten gewesen. Die IPPNW ergänzt, dass die dem Zwischenbericht zugrunde liegende Reihenstudie nicht komplett vergleichbar mit den Neuerkrankungszahlen in der Bevölkerung ist. Deshalb sehen japanische Wissenschaftler derzeit auch keinen Zusammenhang zwischen den hohen Erkrankungszahlen und dem Atomunglück in Fukushima.

Da die Entfernung der Schilddrüse für die Betroffenen ein schwerwiegender Eingriff ist, der lebenslange Konsequenzen verursacht, stellt sich die Frage, wie mit den Betroffenen umgegangen wird und welche Schlussfolgerungen aus ihrem Schicksal gezogen werden. In Deutschland können wir erleichtert aufatmen - das Drama der nuklearen Stromerzeugung neigt sich hier dem Ende zu.

Der Atomausstieg in Deutschland ist beschlossen, 2022 geht das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz. Nick Butler, Energieexperte der Financial Times, bezweifelt Anfang Juni 2013, dass das Ende der Atomkraft in Deutschland tatsächlich so sicher ist. Er geht davon aus, dass bei einer Verlängerung der Regierungszeit von Angela Merkel nach den Bundestagswahlen 2013 eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke wieder möglich sein wird. Konkret spricht er von Laufzeitverlängerungen bis 2032. Und so ist der Tod des Helden Masao Yoshida eben nicht der letzte Akt des Dramas. Nicht des Dramas in Fukushima, nicht des Dramas der Kernenergie in Japan und leider auch nicht des Dramas der Kernenergie in Deutschland.

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