Mittwoch, 28. August 2013

SES: Nagra und AKW entflechten

Am Mittwoch hat der Bundesrat das Entsorgungsprogramm gut geheissen. Doch damit ist es nicht getan: Das Konzept der Tiefenlagerung ist unausgereift und es gibt noch unzählige ungelöste Probleme. Um eine möglichst sichere Lösung anzustreben, ist es entscheidend, Nagra und AKW-Betreiber zu entflechten, meint die Schweizerische Energiestiftung (SES) in einer Stellungnahme.


Das vorliegende Entsorgungsprogramm wurde 2008 von der Nagra erstellt. Heute hat der Bundesrat das Entsorgungsprogramm mit Verfügungen gut geheissen. Ziel des Entsorgungsprogramms ist es, die nötigen Schritte auf dem Weg zu einem Tiefenlager festzulegen.

Konzept der Tiefenlagerung ungenügend
«Wir brauchen eine Lösung für den Atommüll», sagt Sabine von Stockar, SES-Projektleiterin. «Leider genügt das Konzept, auf dem das Entsorgungsprogramm beruht, bei weitem nicht.» Am Tiefenlagerungskonzept bleiben zu viele technische Fragen offen und Langzeitfragen werden nicht angemessen berücksichtigt. «Genau die Problematik des schier endlosen Zeitraumes liegt in der Natur der Sache von radioaktivem Material und ist deshalb von zentraler Bedeutung für die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Eine Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Lösung reicht dabei nicht», so von Stockar.

Mängel an Entsorgungsprogramm
Die SES sieht zudem nach wie vor erhebliche Mängel im Entsorgungsprogramm der Nagra und im aktuellen Verfahren, insbesondere in folgenden Bereichen:
  • Das Entsorgungsprogramm hält fest, dass die Nagra die Bevölkerung über die ganze Thematik informiert. Doch die Nagra hängt am Tropf der AKW-Betreiber. Die Informationen, die die Bevölkerung erhält, sind interessensgesteuert und einseitig. (Vgl. Wanderausstellung Timeride).
  • Es gibt noch kein Lagerkonzept, obwohl dies für die Sicherheit eines Lagers entscheidend ist.
  • Geld für eine eventuelle Rückholung ist nicht vorgesehen.
Die Schweizerische Energie-Stiftung SES fordert vom Bundesrat, sich mit dieser Lösung nicht zufrieden zu geben, und eine Entflechtung zwischen Nagra und AKW-Betreibern anzustreben.

Sonntag, 4. August 2013

Atom kontra Solar

Es sind zwar ein paar saure Gurken darunter, aber von Ereignislosigkeit lässt sich diesen Sommer in der Energiebranche nicht sprechen. Da bringt zum Beispiel ein Erdbeben einen der Pfeiler der Energiewende ins Wanken – diese selbst wankt aber kaum. Denn Wind- und Solarenergie machen unaufhörliche Kostenfortschritte, wenn das auch hierzulande auf wenig Resonanz stösst. Aber dass sich bisherige Atombefürworter nun von der Kernenergie aus Kostengründen abwenden, lässt aufhorchen. Ein sommerlicher Kommentar des Solarmedia-Autors Guntram Rehsche.

Was die tschechische Regierung anfangs vergangener Woche verlauten liess, kommt einer Sensation nahe (siehe Artikel Solid vom 26.7.13). Zumal sich die polnische Administration zuvor schon ähnlich geäussert hatte. Hingehört haben allerdings nur wenige – darum sei es hier eingangs klar fest gehalten: Beide Länder verabschieden sich von ihren atomaren Ausbauplänen, nachdem sie zuvor als wichtige Pfeiler der (vermeintlichen) Atom-Renaissance galten. Der Grund für die Abkehr liegt in den aktuell tiefen Strompreisen sowie in der Aussicht, dass sich unter anderem auch durch das schnelle und heftige Aufkommen der Erneuerbaren Energien dieser Preiszerfall kaum so schnell ins Gegenteil verwandelt.

Es ist schon so: Während in den USA die Fracking- oder Schiefersandwunder zumindest vorderhand zusätzliche Energien mit preisdämpfender Wirkung über den Strommarkt ergiessen, ist es in anderen Weltgegenden, vor allem natürlich in Europa, der Wind- und Solarstrom, der plötzlich als Strommarktsäule erkannt wird. Erkannt werden muss, sei hier gesagt, denn noch vor wenigen Jahren war deren Ergiebigkeit durch die herkömmliche Stromlobby bestritten. Ein deutscher Strom-CEO versteifte sich einst gar zur Aussage, Erneuerbare seien etwa so ergiebig wie Ananas-Plantagen in Grönland. Und ein Schweizer Pendant meinte, mehr als wenige Prozent gäben die Erneuerbaren hierzulande niemals her. Der erste (Grossmann von RWE) wurde unterdessen aus dem Amt gedrängt. Der zweite (Karrer von der Axpo) ist noch der letzte Mohikaner unter den CEO der grossen vier in der Schweiz, der seine Haut bislang retten konnte. Jede Wette – auch er macht es nicht mehr allzulange, zumal noch Gefahr droht von der Gasfront, hat Karrer doch das Axpo-Engagement in der so genannten TAP-Leitung zu verantworten.

Ein anderer Schweizer Spitzen-Stromer ist zwar noch Verbandschef, doch seinen operationellen Posten bei der BKW ist er los. Trotzdem durfte er in der Sendung 10vor10 wieder einmal sein altes Credo vertreten, beflügelt durch das vermeintliche Desaster beim St.Galler Geothermie-Projekt. Die Schätzungen zu den Potentialen der Erneuerbaren auf Grundlage des hiesigen Projekts Energiewende 2050 seien weit überrissen, meinte Kurt Rohrbach – und blieb fast unwidersprochen. Immerhin – das Potential der Sonnenenergie fand Erwähnung aufgrund des unterdessen auf 0,6 Prozent angestiegenen solaren Stromanteils am Schweizer Gesamtmarkt. Wohl schon zu Ende des laufenden Jahres dürfte hierzulande die Ein-Prozent-Hürde überschritten werden. Andere Staaten machen vor, wie auch das Zehnfache möglich und Realität ist (Deutschland, Italien, Spanien und Belgien) oder demnächst sein wird (Japan, China, USA).

Da kommt nun einer – und das ist sein gutes demokratisches Recht – und ergreift das Referendum gegen das neue Energiegesetz. Basierend wiederum auf der Annahme geringer Ergiebigkeit und hoher Kosten der Erneuerbaren. Vielleicht gar nicht so schlecht, käme dieses Referendum zustande – dann würde die Sache endlich in der Breite diskutiert und kämen endlich auch die aktuellen Fakten auf den Tisch. Angefangen bei der zu teuren Atomkraft (siehe oben, aber auch die chinesische Regierung, die den Preis für Atomstrom ab neuem Werk unterdessen bei rund sieben Rappen je Kilowattstunde sieht), der keinesfalls vorhandenen Alternative – bis hin zu den stark gesunkenen Preisen für Solaranlagen, aber auch den Möglichkeiten von Kleinwasserkraft, Windenergie und Biomasse – die Geothermie mal beiseite gelassen.

Eine Gefahr droht den Erneuerbaren allerdings wirklich – dieser allgemeine Strompreiszerfall, der die Konkurrenzfähigkeit in die weitere Ferne rücken liesse. Aber so weit ist es noch nicht, und so weit wird es vielleicht auch gar nicht kommen. Wenn klar wird, auf welcher Ebene sich gerade in der Schweiz der Kampf abspielen wird – atomarer Strom (auch aus dem Ausland) versus solarer Energieerzeugung, die wahrlich das Zeugs hat, zusammen mit einer klugen Effizienzstrategie den Atomstrom aus dem Markt zu drängen. Eingedenk dessen, dass dieser Markt immer ein politisch stark beeinflusster sein wird, also die rein wirtschaftliche Überlegung sich allein kaum durchsetzen kann. Das Referndum ist dann der erste, aber sicher nicht der letzte Kampf um die Energiezukunft der Schweiz.

©  Solarmedia  / Bild Charlie Shailer

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