In zwei belgischen AKW sind bei Untersuchungen tausende
weitere Risse im Reaktordruckbehälter gefunden worden. Aufgrund dieser
alarmierenden Feststellung empfiehlt der Leiter der belgischen
Atomaufsichtsbehörde eine genaue Untersuchung aller Atomreaktoren
weltweit. Greenpeace Schweiz fordert die hiesige Aufsichtsbehörde ENSI
auf, sofort und konsequent zu handeln. Ein Versagen des Druckbehälters
hätte eine Kernschmelze zur Folge.
Wie sicher
sind die Schweizer AKW? Diese Frage stellt sich nach den neusten
Befunden in Belgien dringender denn je. Denn bisher ging man davon aus,
dass die in den belgischen Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 schon 2012
festgestellten Risse auf einen Mangel in der Herstellung zurückzuführen
sind und deshalb kein akuter Handlungsbedarf besteht. Nun zeigt aber
eine vertiefte Überprüfung, dass die beiden AKW tausende weitere Risse
im Reaktordruckbehälter aufweisen, dem Herzstück der Anlage. Und zwei
führende belgische Wissenschaftler sind zum Schluss gekommen, dass die
Risse nicht allein auf einen Herstellungsmangel zurückzuführen sind,
sondern vom Betrieb massgeblich beeinflusst wurden. Es muss deshalb
befürchtet werden, dass die Reaktordruckbehälter der Schweizer AKW in
einem ähnlich schlechten Zustand sein könnten – zumal diese mehrheitlich
schon länger in Betrieb sind als die betroffenen zwei belgischen
Reaktoren.
Tragweite des Problems wurde verkannt
Die
Untersuchungen der belgischen AKW zeigen, dass die Reaktordruckbehälter
offenbar viel anfälliger sind auf Korrosion als bisher angenommen. Der
Leiter der belgischen Atomaufsichtsbehörde (FANC) Jan Bens bezeichnete
dies als mögliches «globales Problem der Atomkraftwerke» und empfiehlt
eine genaue Untersuchung aller Atomreaktoren weltweit. «Es ist dringend
notwendig, die Risse im Metall ernster zu nehmen als bisher und bei
allen Reaktoren umfangreiche Untersuchungen durchzuführen», sagt Florian
Kasser, Atomexperte bei Greenpeace Schweiz. «Die Tragweite des Problems
wurde offensichtlich verkannt – auch in der Schweiz. Alle Reaktoren
müssen nun rasch und komplett überprüft werden.»
Es braucht mehr als nur Stichproben
2013
hatte das ENSI aufgrund der in Belgien entdeckten Risse
Überprüfungsmassnahmen angeordnet. Doch diese erweisen sich nun als
völlig ungenügend – insbesondere bei den Reaktoren in Beznau und
Mühleberg, die schon seit über 40 Jahren in Betrieb sind. In Mühleberg
wurde gerade einmal 5 Prozent des Reaktordruckbehälters untersucht, in
Beznau ist eine teilweise Überprüfung für die nächsten Jahre geplant;
ebenso in Gösgen. «Solche Stichproben genügen nicht», sagt Atomexperte
Kasser. «Die Reaktordruckbehälter müssen nun genau unter die Lupe
genommen werden.» Überprüft werden muss auch das AKW Leibstadt. Dort
hatte das ENSI bisher keine Massnahmen angeordnet aufgrund der Annahme,
dass Produktionsmängel und nicht der Betrieb zu Rissen führt. Wenn bei
der Überprüfung der Schweizer AKW Risse in ähnlichem Ausmass zu Tage
kommen wie in Belgien, müssen die betroffenen Reaktoren sofort
abgestellt werden, bis Ursache und Gefährlichkeit der Risse restlos
geklärt sind.
Versagen des Druckbehälters hätte katastrophale Folgen
Der
Druckbehälter ist das Herzstück eines Atomreaktors. Er beinhaltet unter
anderem die hochradioaktiven Brennelemente, und hier findet die
nukleare Kettenreaktion statt. Ein plötzliches Versagen des
Druckbehälters ist in der Auslegung der Atomreaktoren nicht vorgesehen
und könnte zu katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Strahlung
führen. Gegenmassnahmen sind nicht vorgesehen.
Quelle: Greenpeace
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Mittwoch, 18. Februar 2015
Risse in belgischem AKW - und in der Schweiz?
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