Der französische Energiekonzern Electricité de France (EDF) hat laut
übereinstimmenden Medienberichten seine für gestern geplante
Investitionsentscheidung für den Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point C
in Großbritannien erneut vertagt. Damit verzögert sich abermals der
Baubeginn für das umstrittene AKW, dessen Betrieb der britische Staat
mit umfangreichen Subventionen finanzieren will.
Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy meint: "Zum neunten
Mal hat das EDF-Management seine Entscheidung darüber verschoben, ob
man Hinkley Point C denn nun bauen will oder nicht. Farce oder Taktik -
diese Nicht-Entscheidung überrascht nicht wirklich: Dem
hochverschuldeten Konzern fehlt derzeit schlicht das Geld, um das teure
Prestige-Projekt alleine zu stemmen. Auch die chinesischen Partner
wollen weniger investieren als erwartet - und das alles trotz der
versprochenen üppigen Milliarden-Subventionen. Rating-Agenturen,
Gewerkschafter oder Aufsichtsbehörden warnen längst vor den
finanziellen, technischen und juristischen Risiken des Projektes. Dazu
gehört auch die Klage des deutschen Energieversorgers Greenpeace Energy
gegen das vorgesehene Subventionspaket.
Ursprünglich sollte Hinkley Point C bereits 2017 Strom liefern. Doch
ob und wann das umstrittene AKW jemals gebaut wird - diese Frage ist
mit der erneut verschobenen Investitionsentscheidung weiter in die Ferne
gerückt. Die Unsicherheiten am Projekt dürften damit aber noch wachsen,
und auch das geht letztlich zu Lasten der britischen Bevölkerung. Denn
das Land braucht jetzt dringend ein Konzept für eine sichere
Energieversorgung, weil alte Kraftwerke in den nächsten Jahren vom Netz
gehen. Die EDF-Manager sollten endlich den Mut aufbringen, sich vom
Projekt Hinkley Point C zu verabschieden - um in Großbritannien den Weg
für saubere, sichere und kostengünstigere Energie-Alternativen frei zu
machen."
Hintergrund:
Hinkley Point C soll 2025 ans Netz gehen. Die britische Regierung
will mit dem geplanten Atomkraftwerk die Versorgungssicherheit des
Landes sicherstellen und hat den AKW-Investoren für die Laufzeit von 35
Jahren eine garantierte Einspeisevergütung von umgerechnet 120,51 Euro
für jede in Hinkley Point C produzierte Megawattstunde versprochen. Das
sind rund 40 Prozent mehr, als z.B. ein neuer Windpark in Deutschland an
Vergütung erhält. Laut Berechnungen des Berliner Analyseinstituts
Energy Brainpool summiert sich die Garantie-Vergütung für Hinkley Point C
über die Förderlaufzeit von 35 Jahren unter Berücksichtigung der
Inflation auf rund 108 Milliarden Euro. Greenpeace Energy klagt
gemeinsam mit neun weiteren Unternehmen gegen dieses Subventionspaket,
weil es den Wettbewerb auf dem europäischen Energiemarkt zu Lasten der
Erneuerbaren verzerrt. Auch Österreich, unterstützt von Luxemburg, hat
vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg geklagt. Beide
Verfahren laufen derzeit.
Quelle: Greenpeace Energy
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Donnerstag, 28. Januar 2016
Montag, 25. Januar 2016
Schwindende Sicherheit erfordert mehr Kontrollen
Eine
neue Studie des französischen Nuklearexperten Yves Marignac zeigt am
Beispiel des AKW Beznau auf, wie die ursprüngliche Sicherheitsmarge im
Laufe der Betriebszeit erodiert. Diese Marge mit Investitionen in die
Nachrüstung zu erhalten, wie die Betreiber das versuchen, ist eine
Illusion. Vor diesem Hintergrund und zum Schutz der Bevölkerung fordert
die Schweizerische Energie-Stiftung SES die nationalrätliche
Energiekommission auf, im Kernenergiegesetz ein Langzeitbetriebskonzept
zu verankern.
Nach
den traurigen Ereignissen in Fukushima und dem wegweisenden Beschluss
des Bundesrates, die zukünftige Energieversorgung der Schweiz ohne neue
Atomkraftwerke zu gestalten, befinden wir uns heute in einer paradoxen
Situation: Die AKW-Sicherheit in der Schweiz nimmt nicht zu sondern ab,
denn unsere alten AKW sollen viel länger laufen als geplant. Wie
jede technische Anlage wird ein AKW mit der Zeit immer unzuverlässiger:
Materialien verspröden und Komponenten fallen aus. Um das Risiko eines
Unfalls trotz Alterung möglichst gering zu halten, wird beim Bau einer
Anlage eine Sicherheitsmarge eingerechnet – sozusagen eine
Extra-Sicherheits-Reserve. Diese wird besonders bei Anlagen wie Beznau I
und II (seit 46 bzw. 44 Jahren in Betrieb), die über ihre ursprünglich
vorgesehene Laufzeit von 40 Jahren betrieben werden, rasch kleiner. Dies
zeigt die neue Studie «Reduktion der Sicherheitsmargen von Alt-AKW. Der
Fall Beznau», welche der französische Nuklearexperte Yves Marignac
(WISE-Paris) im Auftrag der SES erstellt hat.
Nachrüstungen
und vermehrte Analyse erlauben es, die Sicherheitsmarge wieder etwas zu
erhöhen. Doch sie vermögen in keinem Fall den ursprünglichen Zustand
einer Anlage wieder herzustellen. Zudem ist oft unklar, wie sicher der
reale Zustand nach einer Nachrüstung ist. Die Folgen einer Nachrüstung
werden bei der Sicherheitsbeurteilung eines AKW vielfach nur
abschätzungsweise berücksichtigt. So führt zum Beispiel in Beznau die
Öffnung des Reaktordruckbehälters für den Austausch des Deckels zu einer
Schwächung der Sicherheitsbehälter (Vgl. Grafik).
Um
dieser Margenreduktion entgegen zu wirken, forderte selbst die
Atomaufsicht ENSI ein gesetzlich verankertes «Langzeitbetriebskonzept».
Dieses soll dem ENSI eine genauere Kontrolle der AKW nach der
ursprünglich vorgesehenen Betriebszeit von 40 Jahren ermöglichen.
Die SES fordert die nationalrätliche Energiekommission UREK-N auf, das Langzeitbetriebskonzept im Kernenergiegesetz zu verankern. Somit kann das ENSI der Minderung der Sicherheitsmarge bei Alt-Anlagen besser entgegen wirken. Es braucht eine vorausschauende Sicherheitskultur mit höheren Sicherheitsmargen.
Beilagen
- Studie «Reduktion der Sicherheitsmargen von Alt-AKW. Der Fall Beznau» (pdf, Französisch)
- Zusammenfassung der Studie (pdf, Deutsch)
- Faktenblatt «AKW Sicherheit» (pdf)
- Grafik «Reduktion Sicherheitsmarge» (jpg)
- Grafik «Mängel Beznau I» (jpg)
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