Simulationen des DIW Berlin: Erneuerbare Energien können bis 2050
Atomstrom vollständig ersetzen, ohne die Klimaschutzziele oder die
Versorgungssicherheit zu gefährden – Atomkraft ist nicht
wettbewerbsfähig und wäre auch künftig die teuerste Variante der
Stromproduktion
Europa ist auf die Stromproduktion durch Atomkraftwerke nicht
angewiesen: Die Klimaschutzziele lassen sich bis 2050 gänzlich ohne
Atomstrom realisieren – bei einer gleichzeitig sicheren
Energieversorgung. Hinzu kommt, dass Atomkraft auch künftig die mit
Abstand teuerste Variante wäre, Strom zu erzeugen. Das ergeben aktuelle
Simulationen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW
Berlin), die auf früheren Szenarioberechnungen aufbauen und um aktuelle
Daten und Rahmenbedingungen ergänzt wurden. „Die Atomkraft ist eine
Technologie der Vergangenheit, die ohne Subventionen nicht
wettbewerbsfähig war und es auch niemals sein wird – selbst dann nicht,
wenn man die Umweltrisiken und die Entsorgung des Atommülls außen vor
lässt“, sagt die Energieökonomin Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung
Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin. Gemäss Studie kostet die
Stromproduktion durch Atomkraft selbst bei einem hohen CO2-Preis
von 100 Euro pro Tonne mit zwölf Cent pro Kilowattstunde deutlich
mehr als die Stromerzeugung in Kohle-/ Gaskraftwerken oder durch
erneuerbare Energien.
Während Deutschland und einige andere westeuropäische Länder wie
Italien, Österreich oder Belgien (Anmerkung Solarmedia: bedingt auch die Schweiz) den Atomausstieg beschlossen oder sogar
bereits vollzogen haben, planen osteuropäische Länder wie Litauen oder
Polen mehr oder weniger konkret einen Ausbau der Atomkraft. Obwohl es
oftmals Widerstände in der Bevölkerung gibt und die Finanzierung
ungewiss ist, weist auch die Europäische Kommission in ihrem aktuellen
Referenzszenario aus dem Jahr 2016 einen hohen Anteil von Atomenergie am
europäischen Strommix der Zukunft aus. Für den Zeitraum von 2030 bis
2050 sieht das Szenario den Neubau von Atomkraftwerken mit einer
Erzeugungskapazität von über 50 Gigawatt vor – ein Gigawatt entspricht
dabei in etwa einem Atomkraftwerk.
Die EnergieökonomInnen des DIW Berlin haben die Plausibilität des
Referenzszenarios anhand eines eigenen Strommarktmodells geprüft. Dieses
ermittelt unter der Annahme einer weitgehenden Reduktion des
CO2-Ausstoßes, wie sich der Kraftwerkspark in Zukunft am
kostengünstigsten zusammensetzt. Das Ergebnis: Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien verdrängt fast vollständig die Produktion durch
fossile Energieträger. Nach dem Jahr 2030 würde der Großteil des Stroms
aus Windkraftanlagen erzeugt, gefolgt von Photovoltaik. Die
Simulationsrechnungen zeigen, dass Atomkraft spätestens im Jahr 2050
nicht mehr notwendig ist, um die Energieversorgung sicher zu stellen. In
separaten Berechnungen haben die StudienautorInnen zudem
herausgefunden, dass selbst Frankreich – wo die Stromproduktion in
Atomkraftwerken im Jahr 2015 gut drei Viertel der gesamten
Stromproduktion ausmachte – bis 2050 gänzlich ohne Atomkraft auskommen
könnte, ohne seine Klimaschutzziele und die Versorgungssicherheit zu
gefährden. Dasselbe gilt für das Vereinigte Königreich, das derzeit ein
Neubauprogramm verfolgt und die Atomkraftwerkskapazität bis 2036
deutlich erhöhen möchte.
„Unsere Modellrechnungen bestätigen erneut, dass die Atomkraft in
Europa nicht gebraucht wird“, sagt Christian von Hirschhausen,
Forschungsdirektor für internationale Infrastrukturpolitik und
Industrieökonomie am DIW Berlin und Professor an der TU Berlin. „Mit der
Entscheidung, der Atomkraft in Zukunftsszenarien eine große Rolle
zuzuschreiben, ist die Europäische Kommission meiner festen Überzeugung
nach auf dem Holzweg. Sie sollte gemeinsam mit den Mitgliedsländern
vielmehr versuchen, die Abschaltung der Kraftwerke, den Rückbau und die
Entsorgung des Atommülls geordnet und sicher über die Bühne zu bringen.“
Quelle: DIW
... dokumentiert die Fallstricke der Atomindustrie; ... gehört zu «Media for Sustainability» des Ökonomen und Journalisten Guntram Rehsche (siehe auch http://guntram-rehsche.blogspot.com); ... Beiträge zeitlich geordnet, Stichwort- / Labelsuche in linker Spalte; ... Unterstützung mit Zahlung von 20 CHF auf Konto: Zürcher Kantonalbank / Guntram Rehsche / IBAN CH46 0070 0111 3009 63007 (für Zahlungen aus Ausland auch BIC (SWIFT-Code) angeben: ZKBKCHZZ80A) - Danke!
Donnerstag, 10. November 2016
Mittwoch, 9. November 2016
Argumente für den Ausstieg (8): Für die Abwärme gibt es Ersatz
Mit
einer Ausserbetriebnahme der beiden Reaktorblöcke von Beznau fällt die
Energiequelle für den Wärmeverbund REFUNA für rund 2600 Kunden im
unteren Aaretal weg. Untersuchungen im Auftrag von Swissolar und
Holzenergie zeigen, dass dieser Wärmeverbund vollständig mit Wärme aus
Holz und Sonne ersetzt werden könnte.
Holzschnitzel-Lagerhalle - für speicherbare Wärme |
Auf
Anregung von SP-Energiepolitiker Max Chopard-Acklin untersuchten
Swissolar und Holzenergie Schweiz das Potenzial einer alternativen
Wärmeversorgung nach der Stilllegung des Atomkraftwerkes Beznau. „Die
Stilllegung des AKW Beznau kommt so oder so und die Untersuchungen
zeigen, dass auch bei einer zeitnahen Stilllegung die Wärmeversorgung
sichergestellt werden kann – und zwar mit erneuerbarer Energie.“ Bis
zu 20% des Wärmebedarfs könnte mit Sonnenkollektoren erzeugt werden,
welche die Solarstrahlung mit einem hohen Wirkungsgrad von 50-70% in
Wärme umwandeln. Für einen Anteil von 20% bräuchte es 74‘000
Quadratmeter Kollektorfläche. Ein Teil dieser Kollektoren könnte auf
frei werdenden Flächen auf der Insel Beznau montiert werden, wobei eine
Doppelnutzung als Weidefläche möglich wäre. Vorbild sind
Solar-Wärmeverbünde in Dänemark – die grösste Anlage steht dort in
Vojens mit 70‘000 Quadratmeter Kollektoren. Kombiniert mit einem
Speicher kann die Solarwärme den Wärmebedarf während den Sommermonaten
vollständig decken. Ergänzend dazu könnte auch Wärme aus
Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) genutzt werden.
Der verbleibende Wärmebedarf kann durch eine Holzheizzentrale gedeckt werden. Der dafür benötigte jährliche Bedarf von 320‘000 Kubikmetern naturbelassenen Holzschnitzeln kann vollständig aus einem Umkreis von 50 km bezogen werden. Die Kombination mit Solarenergie reduziert den Holzbedarf und damit die notwendigen Transporte. Aufgrund der Untersuchungen wird mit Kosten für die Wärmelieferung von rund 8 Rp./kWh gerechnet. Dies ist zwar etwas teurer als bisher, aber eine attraktive und konkurrenzfähige Lösung für jene Hausbesitzer, die auch zukünftig auf eine sichere Wärmeversorgung durch die REFUNA zählen. Die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung der REFUNA von heute 0 auf 100 Prozent nach Abschaltung der AKW dürfte zudem von den meisten Kunden positiv aufgenommen werden.
Der verbleibende Wärmebedarf kann durch eine Holzheizzentrale gedeckt werden. Der dafür benötigte jährliche Bedarf von 320‘000 Kubikmetern naturbelassenen Holzschnitzeln kann vollständig aus einem Umkreis von 50 km bezogen werden. Die Kombination mit Solarenergie reduziert den Holzbedarf und damit die notwendigen Transporte. Aufgrund der Untersuchungen wird mit Kosten für die Wärmelieferung von rund 8 Rp./kWh gerechnet. Dies ist zwar etwas teurer als bisher, aber eine attraktive und konkurrenzfähige Lösung für jene Hausbesitzer, die auch zukünftig auf eine sichere Wärmeversorgung durch die REFUNA zählen. Die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung der REFUNA von heute 0 auf 100 Prozent nach Abschaltung der AKW dürfte zudem von den meisten Kunden positiv aufgenommen werden.
Sonntag, 6. November 2016
Argumente für Ausstieg (7): Annahme schafft Arbeitsplätze
Eine
neue Studie der ZHAW Wädenswil vergleicht die Beschäftigungseffekte der
Atomausstiegsinitiative mit jenen der Energiestrategie 2050 und dem
energiepolitischen Status quo. Resultat: Die Atomausstiegsinitiative
schneidet am besten ab. Eine Annahme am 27. November 2016 generiert
innert kürzester Zeit 5'000 bis 6'000 neue Arbeitsplätze.
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In der öffentlichen Debatte um die Initiative für den geordneten Atomausstieg haben vor allem die Argumente der Atomlobby Gehör gefunden. Die volkswirtschaftlichen Chancen eines Ausstiegs wurden kaum erwähnt. Eine neue Studie der ZHAW Wädenswil im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung SES zeigt, dass mit einem geordneten Atomausstieg tausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.
5'000 bis 6'000 neue Stellen
Diese Arbeitsplätze entstehen durch den Ersatz der AKW mit erneuerbaren Energien. Es zeigt sich, dass bereits der in der Energiestrategie 2050 angepeilte Ausbau ein klar positives Saldo von knapp 2000 neuen Stellen ergibt. Ein vollständiger Ersatz der AKW bis 2029 – wie es die Initiative vorsieht – würde 5'000 bis 6'000 neue Stellen bringen, je nachdem ob die allgemeine Teuerung, der Preiszerfall bei den Komponenten oder etwa der Einsatz von Speicherbatterien mitberücksichtigt werden oder nicht. «Dies entspricht etwa eineinhalb Mal der Anzahl Arbeitsplätze, welche die Axpo heute hat», sagt Studienleiter Prof. Jürg Rohrer. Die Substitution des AKW-Stroms durch erneuerbare Energien bis im Jahr 2030 ist machbar, halten die Autoren fest.
Photovoltaik wird zum Jobmotor
Der grösste Beschäftigungseffekt stammt vom Ausbau der Photovoltaik. Diese ist die erneuerbare Technologie, die am raschesten umgesetzt werden kann. Beim vollständigen Ersatz des Atomstroms werden gemäss Studie nur rund zwei Drittel des bestehenden Potentials an geeigneten Dachflächen in der Schweiz ausgenutzt.
Geordneter Atomausstieg ist eine grosse Chance
Die Cleantech-Branche, KMU und Unternehmen, die von dieser Entwicklung profitieren können, haben längst begriffen, dass die Annahme der Initiative für einen geordneten Atomausstieg eine grosse Chance für sie darstellt. «Der Atomausstieg bringt die nötige Planungssicherheit für den Ausbau der erneuerbaren Energien» stellt SES-Projektleiter Felix Nipkow fest.
Konservative Annahmen
Studienautor Prof. Jürg Rohrer betont, dass für die Berechnungen von konservativen Annahmen ausgegangen wurde. «Die in der Atombranche für die Stilllegung der Atomkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls neu zu schaffenden Arbeitsplätze wurden in der Studie nicht berücksichtigt.»
Quelle: Schweizerische Energie-Stiftung
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In der öffentlichen Debatte um die Initiative für den geordneten Atomausstieg haben vor allem die Argumente der Atomlobby Gehör gefunden. Die volkswirtschaftlichen Chancen eines Ausstiegs wurden kaum erwähnt. Eine neue Studie der ZHAW Wädenswil im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung SES zeigt, dass mit einem geordneten Atomausstieg tausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.
5'000 bis 6'000 neue Stellen
Diese Arbeitsplätze entstehen durch den Ersatz der AKW mit erneuerbaren Energien. Es zeigt sich, dass bereits der in der Energiestrategie 2050 angepeilte Ausbau ein klar positives Saldo von knapp 2000 neuen Stellen ergibt. Ein vollständiger Ersatz der AKW bis 2029 – wie es die Initiative vorsieht – würde 5'000 bis 6'000 neue Stellen bringen, je nachdem ob die allgemeine Teuerung, der Preiszerfall bei den Komponenten oder etwa der Einsatz von Speicherbatterien mitberücksichtigt werden oder nicht. «Dies entspricht etwa eineinhalb Mal der Anzahl Arbeitsplätze, welche die Axpo heute hat», sagt Studienleiter Prof. Jürg Rohrer. Die Substitution des AKW-Stroms durch erneuerbare Energien bis im Jahr 2030 ist machbar, halten die Autoren fest.
Photovoltaik wird zum Jobmotor
Der grösste Beschäftigungseffekt stammt vom Ausbau der Photovoltaik. Diese ist die erneuerbare Technologie, die am raschesten umgesetzt werden kann. Beim vollständigen Ersatz des Atomstroms werden gemäss Studie nur rund zwei Drittel des bestehenden Potentials an geeigneten Dachflächen in der Schweiz ausgenutzt.
Geordneter Atomausstieg ist eine grosse Chance
Die Cleantech-Branche, KMU und Unternehmen, die von dieser Entwicklung profitieren können, haben längst begriffen, dass die Annahme der Initiative für einen geordneten Atomausstieg eine grosse Chance für sie darstellt. «Der Atomausstieg bringt die nötige Planungssicherheit für den Ausbau der erneuerbaren Energien» stellt SES-Projektleiter Felix Nipkow fest.
Konservative Annahmen
Studienautor Prof. Jürg Rohrer betont, dass für die Berechnungen von konservativen Annahmen ausgegangen wurde. «Die in der Atombranche für die Stilllegung der Atomkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls neu zu schaffenden Arbeitsplätze wurden in der Studie nicht berücksichtigt.»
Quelle: Schweizerische Energie-Stiftung
Mittwoch, 2. November 2016
Argumente für Ausstieg (6): Fragwürdige Behauptungen
Die Vereinigung NWA hat Aussagen des Bundesrats im Abstimmungsbüchlein zur Atomausstiegs-Initiative kritisch durchleuchtet. Ein Faktencheck zu den Behauptungen im Abstimmungsbüchlein des Bundesrats - in sieben Schritten:
Behauptung 1: «In der Schweiz gibt es fünf Kernkraftwerke (KKW). (…) Sie produzieren rund 40 Prozent des Schweizer Stroms.» (Seite 5)
Fakt
ist: Es gibt vier AKW die Strom produzieren können. Beznau 1 ist vom
Netz und wird nie mehr ans Netz gehen. Die Illusion, dass Beznau 1 je
wieder ans Netz gehen könnte, wird von der Axpo noch bis am 27. November
2016 aufrecht erhalten. Danach wird die Katze aus dem Sack gelassen.
Aktuell
produzieren sogar nur drei AKW, seit auch das AKW Leibstadt still
steht, und die bringen nur 52% der Schweizer AKW-Leistung.
Die
Schweizer AKW haben 2015 nur 33,5% zur Landesproduktion beigetragen,
2016 werden es weniger als 30% sein. Es fehlt ganzjährig der Reaktor
Beznau 1, und vom 2. August 2016 bis in den Frühling 2017 fehlt
Leibstadt.
Interessanterweise funktioniert
alles, obwohl 48% der Schweizer AKW-Leistung fehlen. Bei einem Ja zum
geordneten Atomausstieg müssten Ende 2017 lediglich 33% der Schweizer
AKW-Leistung stillgelegt werden, also viel weniger als heute schon
fehlt, wo zwei AKW aus Altersschwäche ausgefallen sind.
Behauptung 2: «Falls nötig, kann das ENSI die sofortige Abschaltung anordnen.» (Seite 6)
Schön
wärs, wenn das ENSI das könnte. Das ENSI hätte gewollt, dass es das in
Zukunft könnte, und hat daher die Einführung eines
Langfristbetriebskonzepts im Kernenergiegesetz gefordert. Was das
bürgerliche Parlament abgelehnt hat.
Damit kann
das ENSI wie bisher ein AKW nicht vorsorglich stilllegen, sondern muss
warten bis es kaputt geht. Muss zuschauen, wie die Risse im Kernmantel
immer grösser werden, und wenn die Risse die Ausserbetriebnahmegrenze
überschreiten, dann... misst der Betreiber die Risse nicht mehr, und das
ENSI nickt. So geschehen in Mühleberg. Auf die im August 2015 vom ENSI
verlangten und im Dezember 2015 vom ENSI verfügten genauen
Ultraschallmessungen und ausserordentlichen Messungen der Risse im
Kernmantel hat das ENSI im August 2016 spontan verzichtet.
Dasselbe
soll nun auch in Beznau so laufen. Die Axpo-Anwälte erachten die
Ausserbetriebnahmeverordnung des Bundes als «unheilbar nichtig» und
haben beschlossen, dass sich die Axpo nicht daran halten müsse. Damit
fehlt dem ENSI jegliche Grundlage, Beznau 1 vom Netz zu nehmen – egal
wie gefährlich es ist. Doris Leuthards Konzept des «weiterbetreiben
solange sicher» hat sich damit in Luft aufgelöst.
Behauptung 3:
«Bei Annahme der Initiative greift der neue Verfassungsartikel sofort:
Drei der fünf KKW müssten 2017 abgeschaltet werden.» (Seite 7)
Dieser
Punkt ist eindeutig falsch. So wenig, wie sich die Alpeninitiative, die
Mutterschaftsinitiative und die Einwanderungsinitiative nach der
Abstimmung von selbst erfüllt haben, so wenig greift die
Ausstiegsintitiative «sofort» automatisch.
Das
Departement von Doris Leuthard, das UVEK, muss den betroffenen AKW
Betreibern eine Sachverfügung schicken. Die Betreiber können diese
Verfügung anfechten, zuerst ans UVEK, dann ans Bundesverwaltungsgericht,
dann ans Bundesgericht.
Kommt hinzu, dass nur zwei kleine alte AKW stillgelegt werden müssten. Beznau 1 ist ja bereits vom Netz.
Behauptung 4: «Die
Schweiz müsste deshalb bedeutend mehr Strom aus dem Ausland importieren
– hauptsächlich aus Deutschland und Frankreich. Dieser stammt unter
anderem aus Kohle- und Kernkraftwerken.» (Seite 7)
Die
Schweiz hat 2015 netto 1 TWh Strom exportiert, obwohl ihre AKWs wegen
Altersschwäche 4,3 TWh weniger als erwartet produziert haben. Hätte es
2015 die ausserordentlichen Ausfälle von Beznau 1 und 2 sowie Leibstadt
nicht gegeben, wäre 4,3 TWh Atomstrom mehr produziert worden. Bei
Normalbetrieb hätten wir 2015 einen Export von 5,3 TWh gehabt.
Wenn
man bei einem Export von 5,3 TWh die drei kleinen alten AKW mit 8,5 TWh
abschaltet, dann fehlen 3,2 TWh. Da aber 2016 bereits wieder 1 TWh
erneuerbare Produktionsanlagen ans Netz gegangen sind, fehlen noch ganze
2,1 TWh. 2017 wird wieder 1 TWh erneuerbare Produktion ans Netz gehen,
dann fehlen Ende 2017 noch 1,2 TWh.
Darum: Ja,
wir müssten ab 2018 1,2 TWh mehr Strom importieren als vor der
Stilllegung der drei kleinen alten AKW. Das ist ein Fünfunddreissigstel
der 42 TWh, die wir sowieso jedes Jahr importieren. Das verschwindet im
Grundrauschen der 42 TWh Import und 43 TWh Export, die wir sowieso
haben. Ab 2019 haben wir dann eh keinen zusätzlichen Import mehr, weil
wieder 1 TWh inländische erneuerbare Stromproduktion hinzugekommen ist.
Darum: Nein, wir müssten nicht bedeutend mehr Strom importieren.
Und:
Nein, es wäre nicht in erster Linie Kohlestrom, sondern genau wie heute
in erster Linie erneuerbarer Strom aus Deutschland und Österreich, in
zweiter Linie Atomstrom aus Frankreich, und in dritter Linie Kohlestrom
aus Deutschland.
Behauptung 5: «Es
ist nicht möglich, bereits 2017 genug einheimische erneuerbare Energie
zu produzieren. (…) Die Initiative würde die Abhängigkeit vom Ausland
erhöhen: Eine übereilte Abschaltung führt dazu, dass bedeutend mehr
Strom aus dem Ausland importiert werden muss. Schweizer KKW-Strom würde
mehrheitlich durch ausländischen KKW- Strom und Strom aus
umweltbelastenden Kohlekraftwerken ersetzt.» (Seite 12)
Selbst
der treueste Atomanhänger hat gemerkt, dass mit der Stromlücke niemand
mehr erschreckt werden kann. Also haben die PR-Strategen schnell die
Netzlücke erfunden. Offensichtlich zu schnell.
An
der Medienkonferenz am 11. Oktober 2016 sagte Yves Zumwald, CEO der
Swissgrid: Beznau 2 könne erst abgeschaltet werden, wenn dort ein neuer
380/220 kV-Trafo gebaut werde.
In Wahrheit
reicht der schon am 3. Dezember 2015 in Betrieb gegangene 380/220 kV
Trafo in Laufenburg. Zudem wird in Beznau im März 2017 noch ein 380/220
kV Trafo ans Netz gehen. Hier gibt also keinen Engpass.
«Ja,
aber in Mühleberg fehle sowohl eine 380 kV Leitung
Bassecourt–Mühleberg, als auch ein 380/220 kV Trafo. Und beides könne
man ganz einfach nicht bis Ende 2017 realisieren», meinte Zumwald. Diese
Aussage wird zum Bumerang für Herrn Zumwald:
- Erstens schreibt die Swissgrid in ihrer strategischen Netzplanung vom April 2015, dass man Mühleberg 2019 abschalten könne, und dazu keine neue 380 kV Leitung und keinen neuen 380/220 kV Trafo brauche.
- Zweitens besteht seit 1978 eine 380 kV Leitung Bassecourt–Mühleberg, die einfach mit 220 kV betrieben wird, weil es die 380 kV gar nicht braucht. Wenn man die 380 kV bräuchte, könnte man in Bassecourt einfach den Schalter umlegen.
- Drittens hat die BKW mit viel Pomp am 23. Mai 2016 ihre neue 380/220 kV Trafostation Mühleberg eingeweiht, damit man bereit ist, falls im Jahr 2025 dann mal ein 380 kV Anschluss kommen würde.
Damit läuft Zumwalds Argumentation ins Leere.
Behauptung 6: «Durch
massiv mehr Stromimporte droht zudem eine Überlastung der Schweizer
Netzinfrastruktur. Um dies zu vermeiden, müsste die Netzinfrastruktur
rasch genug ausgebaut werden können. Die notwendige Verstärkung der
Netzinfrastruktur braucht aber Jahre und ist aufwendig und teuer. Die
Initiative gefährdet deshalb unsere Versorgungssicherheit.» (Seite 13)
In
der strategischen Netzplanung der Swissgrid vom 2. April 2015 wird
gezeigt, dass Null Atomstrom im Jahr 2025 zu bewältigen wäre. Swissgrid
zeigt darin auch die dringlichsten Netzausbauten auf, die bis 2025 so
oder so zu realisieren wären.
Behauptung 7: «Mit
einer Begrenzung der Laufzeiten werden die Spielregeln grundlegend
geändert. Die Betreiber könnten Investitionen nicht amortisieren, die
sie im Vertrauen auf das geltende Recht und gestützt auf die
unbefristete Betriebsbewilligung getätigt haben. Es wurden darum bereits
Entschädigungsklagen in Milliardenhöhe angekündigt. Sind diese
erfolgreich, so müssten der Bund und damit letztlich alle
Steuerpflichtigen diese Entschädigungen bezahlen.» (Seite 13)
So
schlimm ist es gar nicht: Die BKW und die Alpiq «prüfen», ob sie
Entschädigungsforderungen stellen möchten, und zwar im tiefen
dreistelligen Millionenbereich. Nur der CEO Axpo Andrew Walo sagt schon
heute, er wolle 4,1 Milliarden Franken. Dann wäre auch noch zu klären,
wer wem Entschädigung zahlen müsste. Die Eigentümer der AKW sind die
Städte und Kantone, also wir Steuerzahler. Folglich müssten wir uns eine
Entschädigung zahlen, sozusagen von der linken Tasche in die rechte
Tasche.
Der Skandal ist, dass in den
Stilllegungs- und Entsorgungsfonds nach konservativer Rechnung von 2011
10 Milliarden Franken fehlen. Wenn man die aktuellen Zahlen zu den
Kosten aus Deutschland als Referenz nimmt, fehlen 40 Milliarden Franken.
Zu
gerne hätten wir aktuelle Zahlen zu den Stilllegungs- und
Entsorgungskosten in der Schweiz. Diese werden mit der Kostenstudie 2016
erst im Dezember veröffentlicht, eine Woche nach der Abstimmung zum
geordneten Atomausstieg.
Im Rechtsgutachten der
SP Schweiz von letztem Jahr haben die Rechtsprofessoren bestätigt, dass
es ohne Schaden keinen Schadenersatz geben kann.
Die
AKW haben einen negativen Wert, Leibstadt hatte bereits 1999 einen Wert
von minus 2,4 Milliarden Franken. Anteile an Schweizer AKW sind auch zu
stark negativen Preisen nicht verkäuflich. Auch der Betrieb der AKW ist
defizitär. Laut der Bilanz beträgt das jährliche Defizit der Schweizer
AKWs 757 mio Franken pro Jahr. Weder die Vollkosten, noch die variablen
Kosten werden gedeckt bei Strommarktpreisen von 3 Rp/kWh. Wert negativ,
Betrieb defizitär, ergo bei Abschalten kein Schaden, kein Schadenersatz.
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