Sonntag, 11. Oktober 2015

Extreme Verletzlichkeit der Schweiz

Der Genfer Geowissenschafter Frédéric-Paul Piguet hat akribisch die weltweite Exposition der Bevölkerung in Bezug auf die nukleare Gefährdung untersucht. Sein erschreckendes Fazit für die Schweiz: Mit dem AKW Beznau liegen wir an 3. Stelle unter 31 Ländern mit 194 Reaktoren.

Die Studie wurde im Auftrag der atomkritischen Organisation Sortir du Nucléaire in Genf erstellt und klassifiziert die Kernkraftwerke nach ihrer Bedrohung des Umlandes durch einen Atomkraftwerksunfall. Nach Untersuchung der insgesamt 194 in Betrieb stehenden Atomkraftwerke weltweit stehen die 4 Schweizer AKW-Standorte unter den 8 höchstklassierten. Sogar ein vergleichbar kleines Land wie die Niederlande hat ihr Atomkraftwerk Borssele weiter weg von der Bevölkerung bzw. den Zentren platziert. An vorderster Stelle sind die AKW Metsamor in Armenien und Kuosheng in Taiwan. Auf Platz 3 liegen ex aequo Beznau und Jinshan in Taiwan. In Beznau stehen gleich 2 Reaktoren, darunter der älteste weltweit. Er steht im 47. Betriebsjahr. Die übrigen Schweizer Reaktoren  folgen auf den Plätzen 5 (Gösgen), 6 (Leibstadt) und 8 (Mühleberg). Auf Platz 7 liegt der  AKW-Standort Doel in Belgien.

Der höchstplatzierte Standort mit der grössten Bevölkerungsbedrohung in Deutschland (Neckarwestheim) liegt auf Platz 17. Jener in Frankreich (St.Alban) auf Platz 34.

Ein dramatisches Gesamtbild ergibt sich bei Betrachtung der Schweizer Gesamtsituation, wie sie die zwei beiliegenden Visualisierungen auf Landkarten verdeutlichen:
  • Das Schweizer Mittelland wäre bei einem grössten anzunehmenden Atomkraftwerksunfall (GAU) der Stufe 7 im Mittelland zwischen Yverdon und Frauenfeld, Basel und Thun, La Chaux-de-Fonds und Luzern für Jahrzehnte radioaktiv schwer belastet.
  • 7 Kantonshauptstädte liegen weniger als 50km von Beznau entfernt, 8 von Gösgen.
  • 5 Kantonshauptstädte liegen im 50km-Kreis um Mühleberg, darunter auch unsere Landeshauptstadt, die gar nur 15 km entfernt liegt.
  • Verkehrstechnisch wäre die Schweiz zweigeteilt, d.h. nicht mehr direkt zwischen Genf und St.Gallen über Bern und Olten verbunden, sondern nur noch über das Wallis und Graubünden, die Alpenpässe Furka und Oberalp.
Frédéric-Paul Piguet folgert in seiner Studie, dass sich im Ernstfall einer Atomkraftwerkskatastrophe "die Frage nach dem Verschwinden von mehreren Kantonen stellen, da deren politischer Betrieb auf unbestimmte Zeit praktisch unterbrochen wäre." Er verweist auch auf die nationale Dimension: "Die Kosten eines Unfalls sind derart hoch, dass der Grundsatz der nationalen Solidarität nicht mehr funktionieren würde, um den Opfern zu Hilfe zu kommen, den vertriebenen Personen und jenen, die wegen des Unfalls ihre Stelle verlieren." Er schliesst nüchtern: "Im Bereich Kernenergie zeigt sich ein kleines Land waghalsig und unverantwortlich, wenn es die Sicherheitsnormen anwendet, die für alte Kernkraftwerke in Ländern gelten, die viel grösser und angesichts eines schweren Nuklearunfalles widerstandsfähiger sind."

Grafik 1 zeigt die Bevölkerungsdichte der Schweiz. (Es sind auch andere Dateiformate erhältlich, nehmen Sie mit K. Schuler Kontakt auf, s. unten)
Grafik 2 zeigt die Betroffenheit der wichtigsten Verkehrsachsen.
Zudem liegen hier eine deutsche Kurzfassung, die französische Vollversion der Studie sowie die wichtigste Tabelle mit dem Gesamtranking bei.


Quelle:  www.atomausstieg.ch.

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