Mittwoch, 23. Dezember 2015

Wiederinbetriebnahme von Beznau II ist widersprüchlich

Greenpeace Schweiz kritisiert die Wiederinbetriebnahme von Block 2 des AKW Beznau scharf. Offensichtlich hat die Betreiberin Axpo von der Atomaufsichtsbehörde ENSI dafür grünes Licht erhalten, ohne dass die bei Ultraschallmessungen entdeckten 77 «Anzeigen» im Herzstück der Anlage genau geprüft wurden. Die Ursachen dieser Materialfehler bleiben im Dunkeln.


Die Wiederinbetriebnahme von Beznau 2 zeugt von einem sehr widersprüchlichen Verhalten der Betreiberin Axpo und der Atomaufsichtsbehörde ENSI: Im Druckbehälter des Reaktors wurden ebenfalls «Anzeigen», also Schwachstellen im Material, entdeckt, wie die Axpo am 30. November selbst bekannt gab. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Axpo und ENSI in wenigen Tagen zum Schluss gekommen sind, diese Materialfehler im Stahl seien völlig unbedenklich, während der Prüfprozess für den Block 1 frühestens im Juli 2016 abgeschlossen wird. «Was in Beznau 1 zu langwieriegen Untersuchungen führt, wird in Beznau 2 toleriert. Hier herrscht Erklärungsnotstand», sagt Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz.

Schon eine Schwachstelle kann fatal sein: Gemäss dem ENSI wurden 77 Materialfehler im Herzstück von Beznau 2 entdeckt. Das sind zwar weniger als im Reaktor 1; doch die Anzahl der Anzeigen ist nicht der einzige Indikator für den Zustand des Druckbehälters. Auch ein einziger Materialfehler kann die Widerstandsfähigkeit dieser zentralen Komponente schwächen. Zudem werden für die Sicherheit zentrale Fragen nicht beantwortet:

  • Die Ursachen für die Schwachstellen bleiben im Dunkeln
  • Die Axpo kann nicht abschliessend beweisen, dass die Schwachstellen im Betrieb nicht wachsen und den Behälter nicht zum Versagen bringen können
Ohne Antworten auf diese Fragen hätte Beznau 2 auf keinen Fall wieder ans Netz dürfen. Der Druckbehälter ist das Herzstück eines Atomkraftwerks und umschliesst die radioaktiven Brennelemente. Das Versagen eines Druckbehälters kann von keinem Sicherheitssystem aufgefangen werden und würde unweigerlich zu einem schweren Atomunfall führen. «Angesichts der zentralen Bedeutung des Druckbehälters für die Sicherheit ist die Wiederinbetriebnahme unverständlich und leichtsinnig», sagt Florian Kasser.

Quelle: Greenpeace  / Bild: Guntram Rehsche

Dienstag, 22. Dezember 2015

Korrektur in AKW-Bilanzen - nur ein Etappensieg

Die Betreibergesellschaften der Atomkraftwerke Gösgen und Leibstadt haben diese Woche bekannt gegeben, dass sie ihre Bilanzierungsmethode für die Mittel in den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds korrigieren. Damit reagieren sie auf Strafanzeigen, die der Trinationale Atomschutzverband TRAS und Greenpeace Schweiz in den Jahren 2012 und 2014 erstattet haben. Die beiden Organisationen begrüssen die Anpassung, weisen aber darauf hin, dass nur halbe Arbeit geleistet wurde.   

In den Bilanzen der AKW Gösgen (siehe Bild links) und Leibstadt waren die Finanzmittel in den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds bisher künstlich aufgebläht: Die Gelder wurden mit einer hypothetischen, rein rechnerischen Verzinsung von 5 Prozent ausgewiesen. Nach Auffassung von TRAS und Greenpeace verstiess diese Praxis klar gegen das Obligationenrecht (OR), welches eine Bilanzierung einzig nach dem Marktwert zulässt. Aus diesem Grund hatten die beiden Organisationen Strafanzeigen erstattet gegen die beiden AKW-Betreiber (2012) und ihre jeweiligen Revisionsgesellschaften (2014). Die beiden AKW-Betreiber haben nun Ihre Praxis geändert, was wir begrüssen und als Teilerfolg betrachten. «Wenn die Bilanzen nicht mehr künstlich aufgebläht werden, wäre das ein Schritt in Richtung mehr Kostenwahrheit beim Atomstrom», sagt Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz.

Auf halber Strecke stehen gebliebenTrotz der Korrektur der Bilanzierungsmethode bleiben Probleme bestehen. TRAS und Greenpeace weisen auf die folgenden Punkte hin:

  • Die Korrektur bleibt gemäss der Mitteilung der beiden Betreiber auf halber Strecke stehen: Gösgen und Leibstadt betrachten ihre Kosten für Stilllegung und Entsorgung offenbar weiterhin als Aktiven. Dies verstösst aus Sicht der beiden Umweltorganisationen ebenfalls klar gegen das OR, welches die zulässigen Aktivierungsmöglichkeiten eindeutig und abschliessend aufzählt. Kosten für die Entsorgung von Atommüll gehören nicht dazu. TRAS und Greenpeace fordern die beiden AKW auf, diesen zweiten Verstoss gegen das OR unverzüglich zu beheben.
  • Anders als von den beiden Betreibern in ihrer Mitteilung dargestellt, stehen im OR nicht zwei Bewertungsmethoden zur Auswahl. Nur die Bewertung nach dem Marktwert ist zulässig. Zudem hat die vorgenommene Korrektur nichts mit dem neuen OR zu tun. Das alte wie das neue OR lassen nur eine Bewertung nach dem Marktwert zu.
  • Schliesslich ist zu betonen, dass erst die Veröffentlichung der Bilanzen im Frühjahr 2016 zeigen wird, inwiefern die beiden Betreibergesellschaften die Bestimmungen des OR einhalten. Bis dann lässt sich die vorgenommene Anpassung nicht abschliessend beurteilen.
Strafverfahren hängigAusserdem erinnern Greenpeace und TRAS daran, dass Bilanzen Urkunden sind. Unseres Erachtens liegen weiterhin unwahre Bilanzen vor, was ohne weiteres den Tatbestand der mehrfachen Urkundenfälschung erfüllt. Diese motivierte die Strafanzeigen gegen die Betreiber. Beide Verfahren wurden durch die Staatsanwaltschaften SO (Gösgen) und AG (Leibstadt) jedoch eingestellt.

Nach Auffassung von Greenpeace und TRAS wurde das Verfahren allerdings mit Verfahrensfehlern geführt. Deswegen erstatteten Greenpeace und TRAS neue Strafanzeigen: Es geht um Vorwürfe wegen Amtsgeheimnisverletzung, Amtsmissbrauch und Begünstigung, die durch Staatsanwälte der beiden Kantone begangen wurden. In den beiden Kantonen führen ausserordentliche Staatsanwälte Verfahren, die noch laufen. Greenpeace und TRAS halten auch nach der Praxisänderung der beiden AKW-Betreiber an diesen Vorwürfen fest. Die jetzt vorgenommene Praxisänderung ist ein indirektes Eingeständnis, dass sie berechtigt sind.

Quelle: Greenpeace  / Bild: Guntram Rehsche

Freitag, 11. Dezember 2015

China baut 80 neue AKW bis ins Jahr 2030

China muss seine enormen Probleme mit der Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke in den Griff bekommen und setzt dabei massiv auf Atomkraft. Bis 2030 will Peking mindestens 72 Milliarden Euro investieren und 80 neue Atomreaktoren bauen.

Das berichtet die Pekinger Tageszeitung China Daily und beruft sich auf die Power Construction Corporation of China und auf den neuen Fünf-Jahres-Plan. Demnach sollen bis 2030 insgesamt 110 Atomreaktoren in Betrieb sein. Derzeit sind 30 Atommeiler aktiv und 21 weitere in Bau. Eine Endfassung des neuen Fünf-Jahres-Plan liegt offenbar noch nicht vor. Zudem muss er vor Inkrafttreten im März vom Volkskongress angenommen werden, was allerdings als reine Formsache gilt.


Dem Plan zufolge hat die chinesische Regierung 500 Milliarden Yuan, umgerechnet fast 72 Milliarden Euro, für die  neuen Atomreaktoren bis 2020 eingeplant. Hiermit sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren sechs bis acht neue Meiler pro Jahr gebaut werden. Bis 2030 sollen dann zehn Prozent der Energie im Reich der Mitte in Kernkraftwerken produziert werden. Derzeit sind es nur rund ein Prozent. Das Ziel Pekings ist es, die Kohlenutzung zurückzudrängen. Das ist auch bitter nötig, denn rund zwei Drittel seiner Energie bezieht China aus dem schmutzigen Rohstoff.


Fast alle großen Städte und Industriezentren des Landes leiden unter hoher Luftverschmutzung, die Feinstaubwerte sind dramatisch. In Peking wurde nun erstmals die höchste Smog-Alarmstufe „Rot“ ausgerufen. Schulen und Kindergärten sind geschlossen, weitreichende Fahrverbote gelten und einige Fabriken mussten ihre Produktion stoppen. Die durch Kohlekraftwerke und Fabriken verursachten extremen Feinstaubbelastungen erreichten mit bis zu 280 Punkten das Zehnfache des Grenzwertes der Weltgesundheitsorganisation WHO. 


Auch wenn viele Fragen zur Sicherheit der Atomkraft und der Endlagerung des Atommülls in China weiterhin ungeklärt sind, will die Regierung in großem Maßstab handeln. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hatte auch China den Bau neuer Reaktoren vorerst gestoppt, im vergangenen März wurde dann erstmals der Bau eines neuen Meilers genehmigt. Neben der Kernkraft setzt das Reich der Mitte zudem auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Ziel ist es vor allem, den Energiemix zu diversifizieren und den Anteil der Kohle langsam zurückzudrängen. Bis 2030 soll der Anteil der nicht-fossilen Energien am Energiemix 20 Prozent betragen.

Quelle   energiezukunft.eu | cw 2015