Mittwoch, 27. August 2014

NR-Kommission verpasst Ausstieg

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates hat am Dienstag  im Rahmen ihrer Beratungen der Energiestrategie 2050 das Kernenergie-Gesetz revidiert. Sie hat es verpasst, eine längst hinfällige Laufzeitbeschränkung für die Schweizer Altreaktoren zu beschliessen. Damit würde das Atomexperiment bis im Jahr 2050 und noch länger fortgesetzt - so eine Stellungnahme von Greenpeace. 

Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz, sagt dazu:«Die Perspektive, in der Schweiz 60-jährige oder noch ältere Atomkraftwerke zu haben, ist nicht akzeptabel. Diese Vorlage setzt die Sicherheit der Bevölkerung aufs Spiel». Damit der Atomausstieg endlich seinen Namen verdient, fordert Greenpeace Schweiz vom Nationalrat eine Kehrtwende: «Die Laufzeit jedes Atomkraftwerks muss unbedingt verbindlich begrenzt werden; Beznau und Mühleberg gehören sofort abgeschaltet».

Der präsentierte Vorschlag ist für Greenpeace aus folgenden Gründen klar unzureichend:
- Das Langzeitbetriebskonzept ist zu unkonkret. Die Sicherheit soll zwar steigen, aber es bleibt völlig offen, wie dies umgesetzt werden soll. Dies könnte weiterhin dazu führen, dass notwendige Nachrüstungen nicht in Angriff genommen werden, wie dies zurzeit im AKW Mühleberg der Fall ist.
- Der unbefristete Weiterbetrieb zementiert das Sicherheitsproblem. Die Anlagen wurden für 40 Jahre Betrieb konzipiert. Der Bundesrat hat seine Strategie auf einen 50-jährigen Betrieb entworfen und auch die UREK-N hatte im letzten Jahr diese Forderung unterstützt. Die Vorlage ermöglicht nun einen unbefristeten und riskanten Weiterbetrieb bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.
- Die Energiekommission behandelt alle fünf Atomkraftwerke gleich. Damit verkennt sie, dass die Atomkraftwerke Beznau I+II und Mühleberg auf einem deutlich tieferen Sicherheitsniveau liegen als Gösgen und Leibstadt und dass die Nachrüstungen altersbedingte Defizite niemals beheben werden. Die Altreaktoren in Beznau und Mühleberg erhalten sogar einen Freibrief bis zur ihrem 50. Betriebsjahr. Beznau wird am 1. September 45 Jahre alt sein und ist bereits die dienstälteste Anlage der Welt.
- Die Planungssicherheit fehlt. Eine Strategie ohne Atomausstieg schafft keine Planungssicherheit. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz brauchen aber klare, langfristige Rahmenbedingungen, um den Durchbruch zu schaffen. 

Quelle: Greenpeace

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Mittwoch, 6. August 2014

Du sollst den Kern nicht spalten!

Die Atomlobby träumt von einer „Renaissance der Atomkraft“. Doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Das bestätigt der neue World Nuclear Industry Status Report. Demnach fließen seit dem Jahr 2.000 nur noch drei Prozent der gesamten Energie-Investitionen der Welt in die Atomenergie – und zugleich boomen die Erneuerbaren Energien weltweit. Dieser Trend gilt auch für die EU. 1988 waren in den heutigen 28 EU-Staaten noch 177 AKW in Betrieb, heute sind es noch 131.  Ein Kommentar von Franz Alt.

Noch eindrucksvoller sind die Investitionen in die Erneuerbaren, in die fossile und in die nukleare Energie seit der Jahrtausendwende: 57% aller Energie-Investitionen flossen in die Erneuerbaren, 40% in die fossilen und nur noch 3% in die Atomkraft.

In China, dem größten Energieverbraucher der Welt, haben 2014 alle Photovoltaik-Anlagen zusammen die Gesamtleistung der AKW bereits überholt. Und im Reich der Mitte begann der PV-Boom so richtig erst 2013. Weltweit gilt jetzt: Atom flopp – Erneuerbare top!

Es gibt zwar in einigen Ländern wie China, Indien oder England noch Neubaupläne für AKW, aber überall zugleich heftige Widerstände aus der Bevölkerung. Die Regierung Abe in Japan will zwar alle 52 nach Fukushima stillgelegten AKW wieder ans Netz bringen, doch überall haben Bürgerinitiativen dies bisher verhindert.

Und weltweit müssen in den nächsten 15 Jahren über die Hälfte aller AKW alters- oder sicherheitsbedingt abgeschaltet werden. Neubauten wird es kaum noch geben. Der Hauptgrund für den unaufhaltsamen Siegeszug der Erneuerbaren: Sie sind sicher, umweltfreundlich, ewig vorhanden, werden immer preiswerter und verursachen wenige Folgekosten.

Kurz: Sie sind den alten Energien gesellschaftlich weit überlegen und liefern die wertvollere Energie für alle Zeit auf allen Kontinenten.

Dieser weltweite Trend wird soeben durch eine Meldung aus Taiwan bestätigt. Die Kuomintang-Regierung wollte ein fertiggestelltes AKW in Betrieb nehmen. Doch die Bevölkerung hat einen dreijährigen Aufschub und einen Volksentscheid über das Projekt erzwungen. Für diese Zeit fallen Instandhaltungskosten von 100 Millionen Euro an, was beweist, dass Atomenergie nicht nur gefährlich für Mensch und Umwelt ist, sondern auch absurd teuer.

Da der Atommüll aus jedem AKW dieser Welt etwa eine Million Jahre strahlt, ist Atomenergie praktisch unbezahlbar. Daran ändert auch die schönste Kampagne der Atomlobby nichts. Die Menschen sind aufgewacht.

Es gilt jetzt eine Art elftes Gebot: Du sollst den Kern nicht spalten! 

Quelle: sonnenseite.com © Franz Alt

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Freitag, 1. August 2014

Atomstrom verliert an Bedeutung

Der Anteil der Atomkraft an der gesamten Stromproduktion nimmt weltweit ab. Dies dokumentiert der World Nuclear Industry Status Report 2014, der diese Woche in Washington publiziert wurde

Der Bericht zeigt auch: Mit Beznau I (siehe Bild, zusammen mit Beznau II) steht in der Schweiz das älteste AKW der Welt. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in der Schweiz keine Abschaltdaten für bestehende AKW. Um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, fordert die SES das Parlament auf, Laufzeitbeschränkungen für die bestehenden AKW und klare Sicherheitsstandards im Kernenergiegesetz festzulegen.

Die offiziellen Statistiken zur weltweiten Atomindustrie sind verzerrt. Auch drei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima am 21. März 2011 wird in jeder offiziellen Quelle der gesamte japanische Reaktorpark, mit Ausnahme der sechs Meiler in Fukushima Daiichi, als “in Betrieb” bezeichnet – obwohl nur gerade zwei von ursprünglich 54 Reaktoren im letzten Jahr Strom produziert haben. Aktuell ist nicht mal ein einziges japanisches AKW in Betrieb. Der World Nuclear Industry Status Report 2014 (WNISR), der in Washington von unabhängigen Fachexperten veröffentlicht worden ist, zeichnet mit der Einführung der Kategorie „langfristige Abschaltung“ (1) ein adäquateres Bild der Situation: Statt der offiziellen 434 AKW listet der WNISR nur 388 stromproduzierende AKW (Stand Juli 2014) (2).  Die wichtigsten Kennzahlen des World Nuclear Industry Status Report 2014 :

• Abnehmende Bedeutung von Atomkraft. Der Anteil der Atomkraft an der globalen, kommerziellen Energieproduktion hat weiter abgenommen. Nur noch 4.4 % der Energie werden weltweit aus Atomkraft produziert, so wenig wie zuletzt 1984.

• Schweiz betreibt ältestes AKW der Welt. Die AKW werden immer älter. Das globale Durchschnittsalter ist auf 28.5 Jahre gestiegen (Stand Mitte 2014). Die Schweiz liegt mit durchschnittlich 39.2 Jahren weit darüber. Beznau I ist mit 45 Jahren das älteste AKW der Welt.

• Steigende Betriebskosten. Die Kosten für die Atomstromerzeugung sind in Frankreich in den letzten drei Jahren um 16 % gestiegen (inflationsbereinigt). In den USA sind mehrere AKW abgeschaltet worden, da die Einnahmen die horrenden Betriebskosten nicht mehr decken konnten. Und auch in Belgien, Deutschland und Schweden ist das wirtschaftliche Überleben von Atomkraftwerken in Frage gestellt. 

• Erneuerbare überholen die Atomkraft. Im Jahr 2013 sind weltweit 32 Gigawatt  Wind und 27 Gigawatt solare Stromproduktionskapazitäten an die Netze angeschlossen worden. Die globalen Investitionen von 214 Milliarden Dollar in neue erneuerbare Energien lagen weit über den rund 50 Milliarden für Atomkraft. Brasilien, China, Deutschland, Indien, Japan und neu auch Spanien produzieren bereits heute mehr Strom aus erneuerbaren Energien als aus Atomkraft (exklusive Grossswasserkraft).

SCHWEIZ REGELT ABSCHALTDATEN NICHT

In den USA betragen die Betriebsbewilligungen für AKW 40 Jahre, mit der Option diese per Gesuch um weitere 20 Jahre zu verlängern. Entsprechende Gesuche wurden seit Mai 2012 jedoch keine mehr bewilligt. In Frankreich werden Betriebsbewilligungen jeweils für zehn Jahre erteilt und ebenfalls per Gesuch verlängert - jedoch nur, wenn die entsprechenden AKW zum Zeitpunkt des Gesuches den jeweils aktuellsten Sicherheitsstandards entsprechen.

Demgegenüber gibt es in der Schweiz keine solchen Laufzeitbeschränkungen. Laut Kernenergiegesetz dürfen AKW betrieben werden „so lange sie sicher sind“. Was "sicher" jedoch bedeutet, ist nicht definiert. Es ist dafür nicht etwa wie in Frankreich der aktuelle Sicherheitsstandard entscheidend, sondern für bestehende AKW der sogenannte „Stand der Nachrüsttechnik“. Ein solcher "Stand der Nachrüsttechnik" ist jedoch weder in der Schweiz noch irgendwo sonst auf der Welt definiert.

Fazit und Forderungen der SES: Der Report bestätigt den globalen Rückgang der Atomstromproduktion und bekräftigt damit den in der Schweiz beschlossenen Atomausstieg. In der aktuellen Vorlage der Energiestrategie 2050 ist jedoch nur das Verbot von neuen Atomkraftwerken vorgesehen. Klare Sicherheitskriterien und Abschaltdaten für bestehende AKW fehlen. "Das heutige Gesetz könnte für die Bevölkerung fatale Folgen haben", kritisiert Sabine von Stockar, Projektleiterin Atom&Strom der SES . Die Schweizerische Energie-Stiftung SES fordert das Parlament auf, den beschlossenen Atomausstieg ernst zu nehmen und vollständig umzusetzen. Hierzu müssen im Kernenergiegesetz eine Laufzeitbeschränkung für die bestehenden AKW und klare Sicherheitskriterien festgelegt werden.


(1) Ein Atomreaktor wird im WNISR als langfristig abgeschaltet bezeichnet, wenn er im vorangehenden Kalenderjahr 
und in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres keinen Strom produziert hat. 
(2) Nuclear Technology Report 2014, IAEA

Weitere Informationen

zum World Nuclear Industry Status Report:
Mycle Schneider 
Internationaler Energie- und Atompolitikberater und Hauptautor des WNISR
Mobil: +33 (620) 63 47 37
Email: mycle@orange.fr

zur Situation in der Schweiz:
Sabine von Stockar, Projektleiterin Schweizerische Energie-Stiftung
Mobil: 079 223 56 86

Quelle: Schweizerische Energie-Stiftung  / Bild: Guntram Rehsche

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